Worum geht es bei der Vergabe von Leistungen im SPNV?
Das Land bestellt die Nahverkehrszüge und bezahlt die beauftragten Eisenbahnunternehmen dafür. Hierfür erhält das Land seit der Regionalisierung der Schienenverkehre, also der Übertragung der Aufgabe an die Bundesländer im Jahr 1996, Mittel vom Bund zugewiesen, die sogenannten Regionalisierungsmittel. Mit diesen Mitteln, für Baden-Württemberg jährlich gut 700 Mio. Euro bestellt das Land die Züge. Ein Großteil der Zugkilometer in Baden-Württemberg wird bis 2016 von der DB Regio AG gefahren. Nur kleinere Auftragspakete entfallen auf andere Unternehmen wie die beiden Landesunternehmen, Hohenzollerische Landesbahn und SWEG oder die Karlsruher Albtalverkehrsgesellschaft (AVG).
Für die Ausschreibungen ist die Landesregierung zuständig. Sie hat die landeseigene Nahverkehrsgesellschaft Baden-Württemberg (NVBW) beauftragt, die Ausschreibungen vorzubereiten und durchzuführen.
Der so genannte „Große Verkehrsvertrag“ mit der DB AG läuft Ende 2016 aus. Die rund 40 Mio. Zugkilometer – das sind fast zwei Drittel der Züge, die im ganzen Land fahren – müssen dann neu an Eisenbahnunternehmen vergeben werden. Mit der Neuausschreibung der Leistungen zielt die Landesregierung darauf ab, dass das Zugangebot in Baden-Württemberg nach 2016 umfassender, komfortabler und preisgünstiger wird. Damit dies im gegebenen Budget möglich ist, müssen durch Wettbewerb bessere Preise erzielt werden.
Die CDU/FDP-Regierung hat 2011 eine, aus heutiger Sicht, völlig unzureichende Vorbereitung der SPNV-Vergaben hinterlassen. Die damalige Angebotskonzeption 2020 mit einer versprochenen Ausweitung des Schienenpersonennahverkehrs um 30 Prozent war weder finanziert noch fundiert durchgerechnet. Die Umsetzung der ursprünglichen Vergabekonzeption hätte für das Land ein zusätzliches jährliches Defizit von über 130 Mio. Euro zur Folge gehabt. Daher mussten die Wettbewerbskonzeption und Vergabestrategie komplett neu aufgestellt werden. Die frühere Vergabekonzeption hatte keine Rücksicht auf aktuelle Marktentwicklungen z.B. nach der Finanz- und Wirtschaftskrise genommen.
Das grundlegende Problem sind die Folgen des großen Verkehrsvertrags, der 2003 ohne Wettbewerb direkt an die DB vergeben wurde. Dieser Vertrag hatte eine sehr lange Laufzeit und läuft Ende 2016 auf einen Schlag aus.
Die marktgerechte Folgevergabe dieses riesigen Auftragsvolumens bedeutet eine extreme Herausforderung. Denn die Vergaben müssen so gestalten werden, dass sich genügend Bieter für dieses investitionsintensive Geschäft finden. Hindernisse sind dabei unkalkulierbare Infrastrukturrisiken – wie z.B. bei den Baustellen Stuttgart 21, dem Infrastrukturausbau im Breisgau oder der Elektrifizierung der Südbahn – und schwieriger gewordene Kapitalmarktbedingungen für die Beschaffung der notwendigen Fahrzeuge. Das Land ist aber auf Wettbewerb angewiesen. Sonst wird der Schienenverkehr unbezahlbar. Die Monopolpreise des von der CDU überhöht abgeschlossenen und immer noch gültigen Verkehrsvertrags belasten bereits heute den Landeshaushalt, da die Bundesmittel nicht mehr ausreichen.
Die Vergabe an einen Monopolisten hat zu unbefriedigenden Leistungen (v.a. veraltetes Wagenmaterial) bei gleichzeitig immer stärker steigenden Preisen geführt. Daher ist ein marktwirtschaftlicher Wettbewerb im Interesse der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler. Darüber hinaus ist die Landesregierung durch EU-Regelungen verpflichtet, die Leistungen auszuschreiben.
Kann die NVBW diese Aufgabe nicht selbst übernehmen?
Die NVBW ist grundsätzlich für die Bestellung des Schienenpersonennahverkehrs zuständig. Die jetzt anstehende Vergabewelle geht aber in den Herausforderungen wie in der Arbeitsmenge deutlich über die Grundlast hinaus.
Nicht nur der Umfang der Vergabeverfahren ist enorm auch die Rahmenbedingungen erfordern besondere Antworten. Um Wettbewerb zu ermöglichen, hat das Land grundlegende Instrumente zur Fahrzeugfinanzierung geschaffen. Nur so wird es kleinen Anbietern möglich, im Wettbewerb gegenüber der DB zu bestehen. Es ist bundesweit üblich, in solchen Ausschreibungsverfahren externen Sachverstand hinzuziehen.
Die Beauftragung des externen Beratungsunternehmens hat sich ausgezahlt, da bereits zahlreiche millionenschwere Optimierungen der Vergabekonzeption erreicht wurden.
In diesem hochspezialisierten Segment gibt es nur wenige Anbieter. Die Vergaben wurden im Wettbewerb durchgeführt. Nur in einem Fall war die Direktvergabe ohne Wettbewerb notwendig, um laufende komplexe Arbeiten fortzuführen. Das von der NVBW und dem Verkehrsministerium beauftragt Unternehmen arbeitet bundesweit als Marktführer auf dem Gebiet der Vergaben im Schienenpersonennahverkehr. So ist es aktuell auch für alle Bundesländer gemeinsam als Gutachter bei der Revision der Regionalisierungsmittel tätig, um gegenüber dem Bund das bestmögliche Ergebnis bei der weiteren Zuteilung der Mittel zu erzielen.
Selbstverständlich wurden alle einschlägigen Vorschriften beachtet und eingehalten. Andernfalls hätten die unterlegenen Bieter vermutlich Beschwerde eingelegt oder das Verfahren angefochten. Dies ist nicht erfolgt.
Auch aktuell läuft eine offene, europaweite Ausschreibung zur Vergabe weiterer notwendiger Beratungsleistungen, damit der Vergabeprozess zu einem guten Ergebnis geführt werden kann.
Nachdem deutlich wurde, dass die bisherige Vergabekonzeption unter den veränderten Marktbedingungen nicht zielführend war, musste das gesamte Verfahren neu aufgesetzt werden. Die Landesregierung hat neue Instrumente zur Finanzierung von Fahrzeugen entwickelt, um auch kleinen Anbietern in Konkurrenz zur DB eine Chance zu geben, am Wettbewerb teilzunehmen. Es musste Verhandlungen mit kommunalen Vertragspartnern geführt werden. Diese umfangreichen und komplizierten Arbeiten nahmen fast zwei Jahre in Anspruch, bevor der eigentliche Ausschreibungsprozess begonnen werden konnte.
Der Vergabekalender wird kontinuierlich fortgeschrieben. Ab Juni 2014 stehen wichtige Ausschreibungen in den Stuttgarter Netzen an. In Regionalkonferenzen wird das Verkehrsministerium bzw. die NVBW über die jeweiligen Verfahren vorab informieren und Anregungen aus den Regionen aufnehmen. Bis die Eisenbahnunternehmen, die den Zuschlag erhalten, dann den Betrieb aufnehmen, wird es noch Jahre dauern. Denn die Beschaffung neuer Züge ist aufwändig und erfordert zeitlichen Vorlauf u.a. für deren Zulassung.