Landestariftreuegesetz
Es ist ein wichtiges Anliegen der Landesregierung, dass der notwendige Wettbewerb im SPNV nicht zulasten der Arbeitsbedingungen der Beschäftigten geht. Die grün-schwarze Landesregierung hat das Landestariftreuegesetz umgesetzt. Das bedeutet, dass Aufträge der öffentlichen Hand in Baden-Württemberg künftig nur noch an Unternehmen gehen dürfen, die ihren Beschäftigen Tariflöhne bezahlen. Dadurch wird Sozialdumping bei der Neuausschreibung des Schienenpersonennahverkehrs in Baden-Württemberg, gegenüber früheren Vergabeverfahren, verhindert. Bieter, die keine Tariftreueerklärung abgeben, werden vom Verfahren ausgeschlossen.
Grundsätzlich gilt in Deutschland Tarifautonomie, d. h. die Sozialpartner (Arbeitgeber und Gewerkschaften) handeln Arbeitsbedingungen und soziale Standards ohne Einflussnahme der öffentlichen Hand aus. Einzelregelungen wie Vorteile und Vergünstigungen, die über die Tarifverträge hinausgehen, müssen jeweils im Betrieb vereinbart werden.
Gesetzesbeschluss des Landtags Tariftreue- und Mindestlohngesetz für öffentliche Aufträge in Baden-Württemberg.
Was steckt hinter den vom Land durchgeführten Ausschreibungen im Schienenpersonennahverkehr? Was soll der Wettbewerb denn bringen?
Ziel der Bahnreform 1994 war es, die alte Behördenbahn zu mehr Effizienz und besserer Qualität für die Kunden zu führen, und dies auch durch Wettbewerb um die öffentlichen Aufträge. Andere Bundesländer blicken inzwischen auf eine lange Geschichte mit Wettbewerbsvergaben ihrer SPNV-Vergaben zurück und waren damit sehr erfolgreich: Die Qualität ist gestiegen, die Leistung wird effizienter erstellt, der Zuschussbedarf sinkt. Dadurch können mit den knappen Steuermitteln die Zugangebote weiter ausgebaut werden, davon profitieren die Fahrgäste. Auch die DB selbst ist durch den Wettbewerb besser geworden, sie behauptet sich ja auch oft im Wettbewerb.
Die Befürchtungen vor Sozialdumping beim Wettbewerb war anfangs in allen Bundesländern Thema, das hat sich aber überall rasch gelegt.
Ist bei den Vergaben zum Schienenpersonennahverkehr (SPNV) „Sozialdumping“ zu befürchten, wie es u. a. die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) formuliert?
Nein, die Vorwürfe sind nicht berechtigt. Für die Landesregierung ist wichtig, dass der Wettbewerb nicht auf dem Rücken der Beschäftigten ausgetragen wird. Daher hat die jetzige Landesregierung das Landestariftreuegesetz umgesetzt. Gegenüber früheren Vergabeverfahren sind damit die Möglichkeiten des Sozialdumpings ausgeschlossen worden, denn zukünftig wird das tarifvertragliche Lohnniveau vorgegeben. Und da in der Branche Arbeitskräftemangel herrscht, liegen diese auch alle sehr nahe beieinander.
Es wäre aber nicht sachgerecht, Einzelregelungen, die über die Tarifverträge hinausgehen, staatlicherseits vom Land vorzugeben. Sie sollten jeweils im Betrieb vereinbart werden.
Wie gewährleistet das Ministerium für Verkehr in den Ausschreibungen die Einhaltung des Tariftreuegesetzes?
Alle Bieter müssen eine Tariftreueerklärung abgeben. Wird dies nicht befolgt, werden sie vom Verfahren ausgeschlossen.
Es ist hingegen nicht Aufgabe des Landes, alle Einzelheiten staatlicherseits vorzuschreiben. Dies muss in den Betrieben ausgehandelt werden.
Können sich die Fahrgäste zukünftig sicher fühlen, dass weiterhin Zugbegleiter in den Zügen mitfahren?
An den Zugbegleitquoten ändert sich grundsätzlich nichts. Im Gegenteil: erstmals werden zukünftig verbindliche Quoten vorgegeben, die eingehalten werden müssen. Eine vollständige Begleitung von Zügen durch Servicepersonal gibt es ja auch bislang nicht, z.B. nicht in S-Bahnen oder Regionalbahnen.
Nach dem bisherigen Großen Verkehrsvertrag zwischen Land und DB liegt dies allein im Ermessen der Bahn, sie darf die DB jederzeit auf Einmannbetrieb umstellen. Sie muss dann nur die technischen Voraussetzungen schaffen.
Die Gewerkschaft EVG thematisiert Sozialleistungen betrieblicher Vereinbarungen, die über die Tarifverträge hinausgehen. Was hat es damit auf sich?
Das Tariftreuegesetz verpflichtet zur Einhaltung der geltenden Tarifverträge. Unternehmensinterne zusätzliche Vergünstigungen und Vorteile sind hiervon nicht umfasst. Die Erfahrung zeigt, dass es im ureigenen Interesse der Unternehmen liegt, dem Personal solche Vorteile zu gewähren, ohne dass es hierfür der zwingenden Vorgabe der konkreten Maßnahmen durch den Aufgabenträger bedarf. Auch die vom gegenwärtigen Betreiber gewährten Vergünstigungen werden von diesem im Rahmen seiner unternehmerischen Verantwortung bereitgestellt, ohne dass es hierfür einer Vorgabe der öffentlichen Hand bedurft hätte.
Grundsätzlich gilt in Deutschland Tarifautonomie, d. h. die Sozialpartner (Arbeitgeber und Gewerkschaften) handeln Arbeitsbedingungen und soziale Standards explizit ohne Einflussnahme der öffentlichen Hand aus. Das Ergebnis dieser Verhandlungen sind von den Sozialpartnern einvernehmlich geschlossene Tarifverträge. Das Land stärkt dieses bewährte System über das Tariftreuegesetz. Im Falle des Betriebsübergangs gibt es zudem die Möglichkeit für die Gewerkschaften sog. Betreiberwechsel-Tarifverträge abzuschließen, wovon die GdL beispielsweise Gebrauch macht.
Die Gewerkschaft EVG fordert die Anwendung der EG-Verordnung 1370 zur Absicherung der Sozialstandards im Fall eines Betreiberwechsels. Was bedeutet das?
Der Verweis auf die EG-Verordnung 1370 liefe auf die Vorgabe des Landes für einen Arbeitnehmerübergang im Fall eines Betreiberwechsels hinaus. Das ist bei SPNV-Vergaben in Deutschland nicht üblich und wird auch von den Konkurrenten der DB abgelehnt. Sie legen Wert darauf, ihr Personal in Anzahl und Auswahl selbst bestimmen zu können. Angesichts der Situation am Arbeitsmarkt – Betriebspersonal im SPNV wird von allen Unternehmen händeringend gesucht – erscheint dieses Instrument in Deutschland auch nicht notwendig.
Man muss ja auch sehen: Betriebsbedingte Kündigungen sind bei der DB ausgeschlossen. Die Mitarbeiter der DB werden also bei einem Betreiberwechsel nicht arbeitslos, sondern treten einem neuen Betreiber aus einer starken Position entgegen. Schon das sorgt dafür, dass sich der neue Betreiber sehr um Mitarbeiter bemühen und ihnen etwas bieten muss.
Wir nehmen die Sorgen der Beschäftigten aber sehr ernst. Wir wollen wissen, wo sie konkret Nachbesserungsbedarf sehen und haben bereits Gespräche mit den Eisenbahnunternehmen und den Gewerkschaften geführt.
Wie sollen Konkurrenten der DB größere Netze betreiben, wenn sie nicht das passend ausgebildete Personal haben?
Das Land erwartet von den Neuvergaben selbstverständlich dauerhaft einen Qualitätszuwachs. Das Land wird eine verpflichtende Ausbildungsquote im Triebfahrzeugführerbereich vorgeben. Die Erfahrungen mit bereits durchgeführten Ausschreibungen in anderen Bundesländern zeigen, dass der Betreiberwechsel ohne Einbußen bei der Qualität von statten geht. Probleme gab es nur dort, wo die Fahrzeugindustrie die neuen Fahrzeuge nicht rechtzeitig zum Betriebsbeginn liefern konnte. In Baden-Württemberg wird den neuen Betreibern vorgegeben, vor Betriebsaufnahme einen Probebetrieb (5 Nächte) durchzuführen. Dieser soll insbesondere den Erwerb von Streckenkenntnissen dienen sowie Probleme bei der Fahrbarkeit des Fahrplanes aufdecken.
Wie gewährleisten die Ausschreibungen, dass die Verkehrsunternehmen auch zukünftig auf die Qualität ihrer Ausbildung achten?
Es liegt im ureigenen Interesse eines Wirtschaftsunternehmens insbesondere im Bereich langfristiger Verträge, die Leistungserbringung durch entsprechende Personalentwicklungskonzepte sicherzustellen. Dass auch das Land diesen Aspekt für bedeutsam hält, wird durch die verpflichtende Vorgabe einer Ausbildungsquote im Triebfahrzeugführerbereich unterstrichen. Die Berufsausbildung wird darüber hinaus auch durch die bloße Auftragsvergabe und die ambitionierten verkehrlichen Ziele des Landes gefördert: der Bedarf an ausgebildetem Personal wird dadurch nicht sinken, sondern steigen. Ob der Bedarf speziell beim Unternehmen DB Regio entsteht, hängt davon ab, in welchem Umfang dieses Unternehmen erfolgreich am Wettbewerb teilnimmt.
Kann das Tariftreuegesetz durch den Einsatz von Subunternehmen umgangen werden?
Die von den Bietern zu unterzeichnende Tariftreueerklärung schließt explizit auch sogenannte „Nachunternehmen“ (Subunternehmer) ein. Auch für diese gelten die Bestimmungen des Tariftreuegesetzes in vollem Umfang. Das VM weist bereits in den Bekanntmachungen der öffentlichen Aufträge und in den Vergabeunterlagen hierauf hin. Durch den Einsatz von Subunternehmen kann das Tariftreuegesetz also nicht umgangen werden.