Das am Freitag vorgestellte Konzept für eine verbindliche Lärmsanierzng
sieht eine gemeinsame Betrachtung von Lärmquellen vor. Es löst sich
damit vom einzelnen Verursacher und wendet sich der
Gesamtsituation des Lärms von Straße und Schienen zu, wie er tatsächlich
auf die Menschen vor Ort einwirkt.
„Unser Konzept beinhaltet neue Ansätze für eine gesetzlich verbindliche Lärmsanierung und geht das Problem verkehrsträgerübergreifend an”, betonte Gisela Splett, Lärmschutzbeauftragte der Landesregierung Baden-Württemberg, anlässlich der Ergebnispräsentation des Projekts Konzept für eine ruhigere Umwelt am Freitag, 21. Juni 2013, in Stuttgart.
Das Konzept sieht vor, dass nicht mehr nur der Lärm an einzelnen Streckenabschnitten betrachtet wird, sondern Mehrfachbelastungen durch Straße und Schiene zusammen untersucht werden. Es löst sich damit vom einzelnen Verursacher und wendet sich der Gesamtsituation des Lärms von Straße und Schienen zu, wie er tatsächlich auf die Anwohnerinnen und Anwohner einwirkt. Daraus ergibt sich auch die Möglichkeit, eine Kostenaufteilung zwischen den verschiedenen Baulastträgern entsprechend der Verursachungsanteile abzuleiten. „Im Sinne der betroffenen Bürgerinnen und Bürger ist es wichtig, dass die Lärmsanierung verbindlich gesetzlich geregelt wird. Es muss einen Anspruch auf Lärmsanierung auch entlang bestehender Verkehrswege geben”, so Splett. Gefordert sei nun auch die Bundesebene, endlich Regelungen für einen effektiven Lärmschutz zu schaffen. Die baden-württembergische Konzeption soll die Diskussion darüber voranbringen.
Entwickelt wurde die Idee, zu Beginn eines Lärmsanierungsverfahrens Lärmsanierungsgebiete auszuweisen. Hierzu wäre zunächst die Gesamtbelastung für alle Straßen und Schienen in einem Gebiet zu ermitteln. Entsprechend des Sanierungsbedarfs können dann Sanierungsgebiete festgelegt werden. Der Bedarf und die Dringlichkeit der Lärmsanierungsgebiete ergeben sich aus der Höhe der Gesamtbelastung und der Anzahl der Betroffenen. Diese Vorgehensweise soll in die Lärmaktionsplanung eingebettet werden, die bei den Städten und Gemeinden angesiedelt ist. Schritte wie die Analyse der Lärmsituation und die Mitwirkung der Öffentlichkeit können für beide Verfahren genutzt werden.
Kooperativer Ansatz schafft Raum für kreative, effiziente Strategien
Vorgesehen ist die Zusammenarbeit aller Behörden und Baulastträger, die zur Lärmbelastung beitragen. Für ein Lärmsanierungsgebiet erarbeiten die Städte und Gemeinden mit den Baulastträgern, den Verkehrsbehörden und den übrigen zuständigen Stellen in einem förmlichen Verhandlungsverfahren ein gemeinsames Sanierungsprogramm. Wird keine Einigung erzielt, soll eine Lärmsanierungsbehörde auf Basis der geleisteten Vorarbeiten über das Lärmsanierungsprogramm entscheiden. Das Lärmsanierungsprogramm soll für die Beteiligten bindend sein. Dieser kooperative Ansatz schafft Raum für kreative, effiziente Strategien zur Lärmminderung jenseits eng begrenzter fachrechtlicher Zuständigkeiten.
Die Kosten für das Lärmsanierungsprogramm sollen verursachungsgerecht verteilt werden. So sollen die Kosten der Maßnahmen entsprechend den Verursacheranteilen der Infrastruktur (Straßen, Schienenwege) zugeordnet werden. Diese ergeben sich aus den jeweiligen energetischen Beiträgen an der Gesamtlärmbelastung eines Gebietes. Die Maßnahmen des gemeinsamen Sanierungsprogramms werden von den jeweils zuständigen Stellen in eigener Verantwortung durchgeführt. Das Lärmsanierungskonzept ist flexibel in Bezug auf die zur Verfügung stehende Finanzierung. Sanierungsgebiete wie auch die Umsetzung der Sanierungsprogramme können entsprechend den vorhandenen Mitteln regelmäßig nach ihrer Sanierungsdringlichkeit priorisiert werden.
Das vom Ministerium für Verkehr und Infrastruktur zusammen mit externen Gutachtern entwickelte Konzept zielt auf Verbesserungen der rechtlichen Regelungen. Angedacht ist aber auch die Erprobung des Konzepts in einem Modellvorhaben in Baden-Württemberg.
Hintergrund
Die Belastung durch Verkehrslärm ist eines der drängendsten Umweltprobleme in der Europäischen Union und in Deutschland. Allein in Baden-Württemberg sind außerhalb der Ballungsräume verursacht durch die Geräusche von Hauptverkehrsstraßen etwa 144.000 Menschen in der Nacht von Lärmpegeln über 55 Dezibel (dB(A)) betroffen. Auf Dauer kann dieser Lärm zu Gesundheitsbeeinträchtigungen führen.
Das Lärmkonzept wurde im Rahmen eines Expertendiskurses im April 2013 mit rund 40 Expertinnen und Experten aus den Bereichen Recht, Akustik und Verwaltung intensiv diskutiert. Das Konzept und sein neuer Ansatz wurden von den Fachleuten insgesamt positiv aufgenommen.
Interview mit Gisela Splett: „Wir wollen einen Anspruch auf Lärmschutz“