„Gesundheit konsequent schützen“ – unter diesem Motto veranstaltete das Ministerium für Verkehr Baden-Württemberg am 22. und 23. Juni 2023 den LärmKongress 2023 im Stuttgarter Hospitalhof.
Mehr als 350 Teilnehmende aus Deutschland, Österreich und der Schweiz waren versammelt, als Minister Winfried Hermann MdL und die Vorsitzende des Sachverständigenrats für Umweltfragen Prof. Dr. Claudia Hornberg den Kongress mit programmatischen Vorträgen eröffneten. In seiner Rede forderte Minister Hermann die Einführung eines verbindlichen und gesetzlich verankerten Mindeststandards für den Schutz vor Lärm.
Claudia Hornberg thematisierte Lärm und Ruhe als eine Frage der Umweltgerechtigkeit. Dabei hob sie besonders hervor, dass die Chancen auf ein gesundes Wohnumfeld ungleich verteilt und stark vom sozialen Status abhängig sind. Ein ähnliches Bild ergibt sich beim Blick auf die empfundene Lärmbelästigung Erwachsener durch Straßenverkehr: Je höher der Sozialstatus desto geringer die Lärmbelästigung.
In den anschließenden parallelen Sitzungen „Schutz vor Verkehrslärm“, „Die Stadt von morgen planen“ und „Mobilität: Mit Ruhe ans Ziel“ wurde der erste Kongresstag fortgesetzt.
Prof. Dr. Dieter Läpple, Stadtforscher aus Hamburg schloss den Tag mit dem Vortrag „Der Elefant im Raum und Perspektiven einer Produktiven Stadt“ ab. Er verdeutlichte die große Herausforderung, den Kampf gegen den Klimawandel mit der drängenden sozialen Frage und der nicht einfachen Frage der Demokratie zu verbinden.
Abgeschlossen wurde der Abend mit einem Spaziergang zu den Musikklubs im Umfeld des Kongressortes. Der Stuttgarter Nachtmanager und seine Kollegen vermittelten dabei eindrücklich das (Lärm)-Konfliktpotenzial, das im „Zusammenleben“ von Musikklubs und deren Wohnnachbarn oft entsteht.
Der zweite Kongresstag setzte die parallelen Sitzungen mit den Themen „Motorradlärm“, „Lärmaktionsplanung“ sowie „Lärm und Gesundheit“ fort, bevor der letzte Veranstaltungsblock mit dem Grundsatzvortrag „Schutz vor Lärm – zur Handlungspflicht des Staates“ von Prof. Dr. Dominik Kupfer (W2K Rechtsanwälte, Freiburg) begann. Sein Fazit war, dass das Fehlen einer gesetzlich verankerten Lärmsanierung angesichts der Häufigkeit hoher Lärmbelastungssituationen keine bloß punktuelle Unzulänglichkeit des nationalen Lärmschutzrechts darstellt. Er schloss mit der dringenden Empfehlung, die Schwelle zur gesundheitsschädlichen Lärmbelastung gesetzlich festzulegen (etwa zunächst bei 65 dB(A) tags und 55 dB(A) nachts). Zudem solle verbindlich vorgeschrieben werden, dass der Lärm durch Straßen- und Schienenverkehr gemeinsam betrachtet wird.
Die daran anschließende durch Sabine Rheinhold (Journalistin, Hamburg) moderierte Podiumsdiskussion unter dem Motto „Mehr Schutz vor Lärm durch konsequentes Handeln“ wurde durch Staatsekretärin Elke Zimmer MdL eingeleitet. Sie stellte dabei vier Kernforderungen der großen Bundesländer Baden-Württemberg, Hessen, Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz an den Bundesverkehrsminister vor.
Die Forderungen
- Dem Schutz vor Verkehrslärm muss eine höhere Priorität eingeräumt werden. Nachhaltige Mobilität und Lärmschutz gehen Hand in Hand.
- Die gesetzlichen Bestimmungen zum Lärmschutz für den Neu- und Ausbau von Straßen und Schienenwegen sollten um verhältnismäßige fachrechtliche Regelungen für bestehende Straßen und Schienenwege ergänzt werden.
- Es mangelt insbesondere an verbindlichen und konsistenten Schwellenwerten, die am Gesundheitsschutz der Bevölkerung ausgerichtet sind. Schon die Verankerung der Schwellenwerte 65 dB(A) bei Tag und 55 dB(A) bei Nacht würde die Gesundheitsrisiken nach einhelliger Meinung der Lärmwirkungsforschung deutlich absenken.
- Bei straßenverkehrsrechtlichen Maßnahmen sollten die Hürden für Geschwindigkeitsbeschränkungen aus Gründen des Lärmschutzes herabgesetzt werden.
Von rechts nach links: Prof. Dr. Claudia Hornberg (SRU-Vorsitzende), Staatssekretär Viktor Haase (Ministerium für Umwelt, Naturschutz und Verkehr Nordrhein-Westfalen), Staatssekretärin Elke Zimmer MdL (Ministerium für Verkehr Baden-Württemberg), Urs Walker (Abteilungschef Lärm und NIS im schweizerischen Bundesamt für Umwelt), Dr. Christoph Lechner (Präsident des Österreichischen Arbeitsrings für Lärmbekämpfung (ÖAL))
Baden-Württembergs Verkehrsstaatssekretärin Elke Zimmer betonte: „Das aktuelle Lärmschutzrecht ist nicht geeignet, die Bevölkerung ausreichend vor Verkehrslärm zu schützen. Das ist besonders für die Gesundheit von Anwohnerinnen und Anwohner an bestehenden Straßen ein Problem. Es kann nicht sein, dass es dort selbst bei gesundheitskritischen Lärmbelastungen keinen Rechtsanspruch auf Lärmschutzmaßnahmen gibt. Hier steht der Bund in der Pflicht: Wir brauchen klare und weitergehende rechtliche Vorgaben.“ Frau Zimmer dankte den Teilnehmenden des LärmKongress für ihr Kommen und forderte sie auf: „Bleiben Sie laut in Ihrem Einsatz für einen besseren Schutz vor Lärm!“.
Bei der abschließenden Pressekonferenz präsentierten Staatssekretärin Elke Zimmer und Staatssekretär Viktor Haase der Öffentlichkeit die gemeinsame Erklärung der Länder Baden-Württemberg, Hessen, Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz.
Die 350 Teilnehmenden des LärmKongress 2023 kamen aus ganz Deutschland, Österreich und der Schweiz. Vertreten waren vor allem Landes- und auch Bundesbehörden (37 %), kommunale Verwaltungen (27 %) und Ingenieurbüros (20 %). Die räumliche Aufteilung war wie folgt: 51 % aus den Postzahlbereichen 7 bis 9, 26 % aus den Postzahlbereichen 4 bis 6 und 20 % aus den Postleitzahlbereichen 0 bis 3.