FAQ: Alternative Flugroute Stuttgart
Rund um den Flughafen Stuttgart wird derzeit die Einführung einer neuen alternativen Abflugroute geprüft und diskutiert. Im Zuge dieser Debatte möchte die Landesregierung im Rahmen ihrer Möglichkeiten für möglichst viel Transparenz und eine gute Informationslage sorgen. Neben einer Informationsveranstaltung am 20. Oktober für Bürgermeisterinnen und Bürgermeister sowie Abgeordnete der Region möchte das Ministerium für Verkehr nun durch die nachfolgenden FAQ Informationen über das Verfahren und die Route bereitstellen.
Auf Vorschlag der Eurowings GmbH und der Deutschen Lufthansa AG hat die Deutsche Flugsicherung (DFS) eine neue, alternative und sattelitenbasierte Abflugroute (RNP - Required Navigation Performance) sowie insgesamt vier Varianten dieser Route vom Flughafen Stuttgart aus von der Piste 07 in Richtung Süden geplant und in der Fluglärmkommission vorgestellt. Die Abflugroute würde für Starts in Richtung Osten gelten und am Wegpunkt TEDGO südlich des Flughafens enden. Während die bisherige Route nah an dicht besiedelten Gebieten liegt, die teilweise sowohl durch An- als auch durch Abflüge belastet werden, könnte die Routenführung dahingehend geändert werden, dass die Luftfahrzeuge früher in Richtung Süden abdrehen und dadurch gezielt Räume mit hoher Bevölkerungsdichte umflogen werden
Neue Flugverfahren werden durch die DFS geplant und vom Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung (BAF) durch Rechtsverordnung festgelegt. Das BAF prüft die Abwägungsunterlagen und leitet sie parallel an das Umweltbundesamt (UBA) zur Stellungnahme, um im Benehmen mit diesem einen abschließenden Verordnungsvorschlag an das Bundesjustizministerium zur Rechtsförmlichkeitsprüfung weiterzureichen.
Sollte in dem neuen Flugverfahren von den Vorschriften der Internationalen Zivilluftfahrt-Organisation (ICAO) abgewichen werden, muss der Antrag zusätzlich zur Entscheidung an das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) weitergeleitet werden.
Im Rahmen der Planung neuer Flugverfahren am Flughafen Stuttgart ist das Ministerium für Verkehr in seiner Funktion als oberste Immissionsschutzbehörde Mitglied der Fluglärmkommission (FLK) und damit Teil eines Gremiums, das die DFS berät. Die DFS ist dabei nicht an die Empfehlung der Fluglärmkommission gebunden. Eine direkte Beteiligung der betroffenen Anwohnerinnen und Anwohner ist im Verfahren nicht vorgesehen.
Grafik der DFS Deutsche Flugsicherung GmbH: Formaler Prozess der Abwägung (PDF)
Die Fluglärmkommission kann lediglich eine Empfehlung abgeben, die DFS ist dabei nicht an die Empfehlung der Fluglärmkommission gebunden.
Der Fluglärmkommission für den Flughafen Stuttgart gehören 17 Mitglieder an. Dies sind die Städte Filderstadt, Leinfelden-Echterdingen, Esslingen, Ostfildern und Stuttgart, die Gemeinden Denkendorf, Steinenbronn, Neuhausen, Schönaich, Deizisau und Altbach sowie die Bundesvereinigung gegen Fluglärm, die Flughafen Stuttgart GmbH, die Luftfahrtunternehmen, die Industrie- und Handelskammer der Region Stuttgart, die US-Streitkräfte in Baden-Württemberg und das Ministerium für Verkehr in seiner Eigenschaft als oberste Landesbehörde für den verkehrsbezogenen Immissionsschutz. Die Genehmigungsbehörde, die Flugsicherungsorganisation und der Lärmschutzbeauftragte für den Flughafen nehmen regelmäßig an den Sitzungen teil, die in der Regel zweimal im Jahr stattfinden.
Das Ministerium für Verkehr ist vor dem Hintergrund der Diskussion um das TEDGO-Abflugverfahren am Flughafen Stuttgart sowie eingegangener Anträge der Bitte nachgekommen eine entsprechende, rechtlich beständige Erweiterung des Mitgliederkreises der Fluglärmkommission zu prüfen.
Diese Prüfung ist zu dem Ergebnis gekommen, dass die für die kommunale Bauleitplanung zwischen Bund und Ländern abgestimmten Fluglärm-Planungskonturen den Anforderungen des § 32b Luftverkehrsgesetz entsprechen. Sie werden daher bei der Berufung von Mitgliedern in die Fluglärmkommission zukünftig zugrunde gelegt. Die Konturen legen äquivalente Dauerschallpegel von 55 dB(A) für den Tag (6 bis 22 Uhr) und 50 dB(A) für die Nacht (22 bis 6 Uhr) fest. Sie sind damit um 5 dB(A) niedriger bemessen, als die bislang für die Berufung in die Fluglärmkommission zugrunde gelegten Lärmwerte nach § 2 Abs. 2 S. 2 Ziffer 2. des Gesetzes zum Schutz gegen Fluglärm. Die Planungskonturen der kommunalen Bauleitplanung als objektives, transparentes und nachvollziehbares Kriterium zur Berufung in die Fluglärmkommission heranzuziehen, ermöglicht es einerseits dem Bedürfnis nach umfassender kommunaler Beteiligung und andererseits der Funktion und der Bedeutung, die der Gesetzgeber der Fluglärmkommission zukommen lässt, gerecht zu werden.
Die Gemeinden Altbach und Deizisau wurden nach diesen Kriterien am 21. Februar 2022 in die Fluglärmkommission Stuttgart berufen. Die Kommission hat jetzt 17 Mitglieder.
Die Einbindung der Fluglärmkommission bei der Planung und Festlegung von Flugrouten ist Teil eines von Bundesbehörden betriebenen Planungsverfahrens, das keine direkte Bürgerbeteiligung vorsieht. Die Beteiligung von Betroffenen erfolgt ausschließlich über die Fluglärmkommission und die darin vertretenen Mitglieder. Von den insgesamt 17 stimmberechtigten Mitgliedern entfällt ein Sitz auf das Ministerium für Verkehr als oberste Immissionsschutzbehörde. Weitere Möglichkeiten der Einflussnahme auf das Beratungsergebnis bzw. den weiteren Fortgang des Verfahrens hat die Landesregierung nicht.
Die Fluglärmkommission hat im Mai 2021 zu einer Informationsveranstaltung eingeladen, um die möglicherweise von einem „Mehr an Fluglärm“ betroffenen Kommunen, die nicht Mitglied der Fluglärmkommission sind, zu informieren. Bei diesem Termin wurde ausführlich über die Planungen informiert. Außerdem konnten die eingeladenen Kommunen ihre Anliegen in einer weiteren Sitzung am 26. Juli 2021 gegenüber der Fluglärmkommission vorbringen. Ihnen wurde auch die Möglichkeit eingeräumt, gegenüber der Kommission schriftlich Stellung zu nehmen und auch an der Sitzung der Fluglärmkommission am 2. November 2021 teilzunehmen
Die Einladung ist auf Grundlage der Informationslage, die durch die DFS und die Airlines bereitgestellt wurde, erfolgt. Daher wurden die Gemeinden Aichtal und Neckartailfingen zu diesem Termin nicht eingeladen. Ob und inwiefern diese Kommunen künftig betroffen wären, hat die DFS bisher noch nicht abschließend beantwortet. Nichtsdestotrotz wurden die beiden Kommunen ebenfalls zur Sitzung am 2. November eingeladen.
Der FLK war es im konkreten Fall ein Anliegen, alle betroffenen Kommunen in die Diskussion einzubinden, unabhängig davon, ob sie Mitglied in der Fluglärmkommission Stuttgart sind oder nicht. Zudem hat die Landesregierung aufgrund der Kritik am 20. Oktober eine digitale Informationsveranstaltung durchgeführt .
Wie vom Vorsitzenden der Fluglärmkommission vorgeschlagen, wurde bei der Sitzung am 2. November keine abschließende Empfehlung über die Route abgegeben. Die Sitzung wurde dafür genutzt, Detailfragen vertieft mit den Fluggesellschaften, die eine mögliche Änderung initiiert haben, und der Deutschen Flugsicherung als planende Stelle zu erörtern. Im Falle eines späteren zustimmenden Votums durch die FLK soll ein Probebetrieb von einem Jahr angestrebt werden.
Im Rahmen der Veranstaltung wurde unter anderem beschlossen, dass ein unabhängiges und vom Land zu 30 % finanziertes Fluglärmgutachten beauftragt und eine Erweiterung der Mitglieder der Fluglärmkommission geprüft wird. Die Ergebnisse des Fluglärmgutachten (pdf) liegen vor und sollen für mehr Transparenz und eine bessere Datenlage sorgen. Es wurde am 7. März in der Fluglärmkommission vorgestellt und diskutiert. Eine Beschlussfassung über das weitere Vorgehen im Zusammenhang mit der Flugroute soll erst in einer späteren Sitzung der Kommission erfolgen.
In den vergangenen Sitzungen der Fluglärmkommission wurde die Möglichkeit diskutiert, den Beschlussvorschlag so zu formulieren, dass man zunächst einen zeitlich befristeten Probebetrieb festlegt und die Nutzung der Route auf eine bestimmte Anzahl bzw. einen bestimmten Anteil an Flügen begrenzt. Dies bietet die Chance, die Veränderung auf Grundlage von begleitenden Fluglärmmessungen zu evaluieren. Diese Ergebnisse könnten dann in den weiteren Entscheidungsprozess nach Ablauf des Probezeitraums einfließen.
Es wird aktuell davon ausgegangen, dass ca. 30 Prozent der Flüge, die die Abflugroute zum Wegpunkt TEDGO nutzen, aufgrund ihrer Startmasse in der Lage sein werden, dieses Verfahren mit steilerem Steigflug zu fliegen. Eine Auswertung der Flugdaten des Flughafens Stuttgart (Vorpandemieniveau) zeigt, dass bei Betriebsrichtung 07 (Startrichtung nach Osten) durchschnittlich drei Abflüge pro Stunde via TEDGO geführt werden.