Schiene

Nahverkehr im Südwesten boomt

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(Quelle: Esslinger Zeitung)

Download: Graphik Schienenpersonennahverkehr 2012 - 2014 (Quelle: Esslinger Zeitung)

Bericht der Esslinger Zeitung vom 11. Juli 2015 auf Seite 1, "Nahverkehr im Südwesten boomt"

Stuttgart - Immer mehr Menschen in Baden-Württemberg fahren mit der Bahn: Die Fahrgastzahlen im Schienennahverkehr sind zwischen 2012 und 2014 landesweit um rund sieben Prozent gestiegen. Das geht aus einer Erhebung der Landesregierung hervor, die unserer Zeitung vorliegt. Das Fahrplanangebot hat sich im gleichen Zeitraum etwas verbessert - und liegt jetzt wieder auf dem Niveau von 2002.

470 000 Fahrgäste nutzen an einem durchschnittlichen Werktag die Nahverkehrszüge im Südwesten. Nicht eingerechnet ist dabei die Stuttgarter S-Bahn, für die nicht das Land,sondern der Verband Region Stuttgart verantwortlich zeichnet. Die am stärksten nachgefragte Strecke ist die Rheintalbahn zwischen Offenburg und Basel. 2014 zählte die Bahn dort wochentags durchschnittlich 45 700 Passagiere.Unter den sieben Linien, die in der Landeshauptstadt beginnen, boomt besonders die Verbindung durchs Neckartal nach Tübingen. Das Fahrgastaufkommen nahm dort in den vergangenen beiden Jahren um knapp 16 Prozent zu - seit 2002 sogar um rund 52 Prozent. Fast ebenso viele Fahrgäste fahren mit der "Schwäbischen Eisenbahn" zwischen Stuttgart und Ulm. Seit 2012 nahmen die Fahrgastzahlen auf dieser Strecke um knapp neun Prozent zu, seit 2002 haben sie sich sogar verdoppelt. Das Verkehrsministerium hatte die Statistik als Antwort auf eine Landtagsanfrage der Grünen-Fraktion erstellt.

Das Fahrplanangebot hat sich gegenüber der letzten Erhebung vor zwei Jahren verbessert. Die sogenannte Betriebsleistung (gemessen in Zugkilometern pro Tag) lag 2014 landesweit 5,2 Prozent höher als noch 2012. Das Land hatte 2007 auf fast allen Strecken im Südwesten Züge gestrichen. Anders als im Fernverkehr, den die Deutsche Bahn in Eigenregie und auf eigene Rechnung betreibt, fungieren die Bundesländer im Nahverkehr als Besteller.

Pro Zugkilometer erstatten sie dem beauftragten Schienenverkehrsunternehmen einen festen Betrag.Außerdem behalten die Unternehmen die Einnahmen aus dem Ticketverkauf. Zu den Streichungen sah sich die damalige schwarz-gelbe Landesregierung veranlasst, weil der Bund seine Zuschüsse gekürzt hatte. Grün-Rot stopfte die Finanzierungslücke mit Geld aus dem Landeshaushalt.

Grünen-Verkehrsexperte Andreas Schwarz, der die Anfrage an das Verkehrsministerium gestellt hatte, sieht dieses Vorgehen durch die gestiegenen Fahrgastzahlen bestätigt. Zugleich appellierte der Kirchheimer Abgeordnete an die Große Koalition in Berlin: "Der Bund darf die Fahrgäste nicht im Stich lassen."

Bericht der Esslinger Zeitung vom 11. Juli 2015 auf Seite 6: "Land der Bahnfahrer"

Stuttgart – Verspätungen, überfüllte Züge und steigende Ticketpreise – die Baden-Württemberger trotzen augenscheinlich allen Widrigkeiten der Eisenbahnwelt: Seit 2002 sind die Fahrgastzahlen im Nahverkehr landesweit um rund 75 Prozent gestiegen, allein in den vergangenen beiden Jahren waren es sieben Prozent. Anders als noch bei der letzten Erhebungen 2012 bewegen sich Angebot und Nachfrage – wenn schon nicht im Gleichschritt – so doch zumindest in die gleiche Richtung. Die vom Land bei der Deutschen Bahn bestellten Zugkilometer sind wieder mehr geworden.

„Die durchweg gestiegenen Fahrgastzahlen im Schienenverkehr bestätigen unsere Politik, den öffentlichen Nahverkehr Schritt für Schritt auszubauen“, sagt der Verkehrsexperte der Grünen, der Kirchheimer Landtagsabgeordnete Andreas Schwarz.

Rückforderungen an die Bahn

Die neuen Zahlen, die aus einer Statistik des Verkehrsministeriums hervorgehen, kommen den grünroten Koalitionären zur rechten Zeit. Sie hoffen darauf, im beginnenden Wahlkampf Profit daraus schlagen zu können, das Fahrplan-Streichkonzert der schwarz-gelben Vorgängerregierung beendet zu haben. Der damalige Verkehrsminister Heribert Rech hatte 2007 auf manchen Verbindungen jeden zehnten Zug abbestellt – Hintergrund war die Kürzung der Bundeszuschüsse für den Nahverkehr. Diese sogenannten Regionalisierungsmittel sind bis heute nicht kostendeckend für die Bundesländer. Verkehrsminister Winfried Hermann fährt deshalb eine Doppelstrategie, um den Verkehrshaushalt zu entlasten: Von der Bahn fordert er bis zu 1,25 Milliarden Euro zurück, die diese dem Land in der Vergangenheit zu viel in Rechnung gestellt haben soll. Der Schienenkonzern bestreitet dies. Zum anderen will Hermann durch mehr Wettbewerb auf der Schiene die Kosten senken und die Qualität  verbessern.

Die Ausschreibung der Stuttgarter Netze läuft derzeit. Zum Unmut der Deutschen Bahn, die bisher im Rahmen des großen Verkehrsvertrags die meisten Strecken im Südwesten bedient, soll bei mindestens einem von drei Losen ein Wettbewerber des Staatskonzerns zum Zug kommen. Die jüngste Erhebung zur Fahrgastentwicklung unterstreicht, wie lukrativ die Stuttgarter Linien sind – trotz der Einschränkungen im Stuttgarter Hauptbahnhof durch die Arbeiten für Stuttgart 21.

Gäubahn hat wieder Zuwachs

Eine Trendwende markieren die neuen Zahlen für die Gäubahn. Während der von der Bahn eigenwirtschaftlich betriebene Fernverkehr in Richtung Singen und weiter nach Zürich darbt, gibt es im  Nahverkehr nach Jahren wieder Fahrgastzuwächse von rund zehn Prozent. Die Strecke leidet jedoch weiterhin unter Kapzitätsengpässen, weil sie teilweise nur noch eingleisig ist. Um die durchgängige zweigleisige Ertüchtigung wird seit Jahren gerungen.

Unerwartet zum Sorgenkind ist im vergangenen Jahr das Baden-Württemberg-Ticket geworden: Die Nachfrage nach dem Tagesfahrschein für bis zu fünf Personen ging binnen eines Jahres um 14 Prozent zurück. Nur zu einem geringen Teil wurde dies durch das neu eingeführte Metropolticket in der Region Stuttgart aufgefangen.

Quelle:

Esslinger Zeitung vom 11.07.2015