Deutsche Umwelthilfe erklärt Vollstreckungsantrag für erledigt – Land zieht Vollstreckungsabwehrklage zurück
Der Rechtsstreit zwischen der Deutschen Umwelthilfe (DUH) und dem Land Baden-Württemberg um die Luftreinhaltung in Stuttgart ist beendet. Die DUH hat ihren Vollstreckungsantrag vor dem Verwaltungsgericht Stuttgart für erledigt erklärt und damit die Erfolge des Landes bei der Luftreinhaltung anerkannt. Das Land hat daraufhin seine Vollstreckungsabwehrklage beim Verwaltungsgericht zurückgenommen, über die an diesem Mittwoch hätte verhandelt werden sollen.
Landesverkehrsminister Winfried Hermann erklärte dazu am Dienstag: „Nach vielen Jahren und vielfältigen Anstrengungen ist es uns gelungen, die Luft in Stuttgart sauberer zu machen. Stadt, Region und Land haben massiv den ÖPNV gestärkt, den Fuß- und Radverkehr gefördert, innovative Lösungen wie Luftfiltersäulen umgesetzt, die intelligente Verkehrssteuerung ausgebaut, Geschwindigkeitsbeschränkungen angeordnet und Verkehrsverbote für besonders schadstoffträchtige Fahrzeuge umgesetzt. Wir haben die Probleme mit einem umfangreichen Maßnahmenbündel gelöst. Die Messwerte haben sich positiv entwickelt und die Gutachten belegen, dass wir 2021 erstmals an allen Messstationen in Stuttgart auch den Grenzwert für den Jahresmittelwert von Stickstoffdioxid mit 40 µg/m³ einhalten.“
Der stellvertretende Ministerpräsident, Innenminister Thomas Strobl, betonte: „Unser aller Ziel war: Saubere Luft. Das Ende des Rechtsstreits zeigt: Wir waren und sind auf dem richtigen Weg, wir haben unser Ziel erreicht, und das nicht nur mit Verboten, sondern auch mit Hochtechnologie. Deshalb ist es gut und richtig, dass wir das Kapitel abgeschlossen haben. Die Bewältigung des Klimawandels ist und bleibt freilich eine der größten Menschheitsaufgaben. Deshalb ruhen wir uns nicht auf dem Erreichten aus, sondern setzen unsere Anstrengungen etwa beim Ausbau umweltfreundlicher Verkehrsmittel oder emissionsarmer Straßenräume fort.“
Der Stuttgarter Regierungspräsident Wolfgang Reimer sagte: „Seit Jahren haben wir konsequent daran gearbeitet, Maßnahmen zur Verbesserung der Luftqualität umzusetzen. Wir haben mit dem Luftreinhalteplan ein ganzes Maßnahmenbündel für nachhaltige Mobilität geschnürt und unter anderem den Ausbau und die Stärkung des ÖPNV vorangetrieben. Mit Luftfiltersäulen haben wir die Schadstoffsituation an den Brennpunkten Am Neckartor, in der Hohenheimer Straße und in der Pragstraße entschärft. Unser Ziel der dauerhaften Einhaltung der EU-Grenzwerte ist nun auch für Stickstoffdioxid greifbar.“
Lange Zeit war das Neckartor in Stuttgart trauriger Spitzenreiter mit besonders hohen Werten von bis zu 121 µg/m³ Luft im Jahr 2006. 2018 lag der Wert noch bei 71 µg/m3, 2019 bei 53 µg/m3 und im Jahr 2020 wurde mit 38 µg/m3 Stickstoffdioxid (NO2) im Jahresmittel zum ersten Mal der Grenzwert eingehalten. Der aktuelle Mittelwert der Monate Januar bis Oktober beträgt 35 μg/m³, so dass auch in diesem Jahr der Grenzwert am Neckartor in Stuttgart eingehalten wird.
Die letzten Grenzwertüberschreitungen an der Prag- und an der Talstraße sind auch erledigt. In der Talstraße brachte die Ende April 2021 eingerichteten Busspur deutliche Verbesserungen. Der aktuelle Mittelwert der Monate Januar bis Oktober 2021 an der Messstelle beträgt 39 μg/m³. Damit kann davon ausgegangen werden, dass der Grenzwerte von 40 µg/m³ im Jahresmittel in diesem Jahr eingehalten wird. Ein aktuelles Gutachten zur Luftschadstoffbelastung zeigt, dass auch in dem kleinräumigen Bereich höherer NO2-Konzentrationen im näheren Umfeld der offiziellen Messstelle im 2022 unterhalb des Grenzwertes liegen werden.
An der Messstation bei der Pragstraße 90 liegt der aktuelle Mittelwert der Monate Januar bis Oktober 2021 ebenfalls bei 39 μg/m³. Damit kann von einer Einhaltung des NO2-Grenzwertes in 2021 ausgegangen werden. Mit der Eröffnung des Rosensteintunnels Anfang 2022 wird die Pragstraße in diesem Bereich deutlich entlastet, so dass die NO2-Konzentrationen nochmals deutlich abnehmen werden.
Auch im Bereich der Hausnummern 148 bis 152 wird es durch die Eröffnung des Rosensteintunnels zu Veränderungen kommen. Anfang des Jahres 2022 werden die beiden Häuser 150 und 152 abgerissen, was zu einer Verbesserung der Durchlüftungssituation und damit verbunden einer Abnahme der NO2-Konzentrationen in diesem Bereich führt. Das aktuelle Gutachten zeigt auf, dass in diesem Bereich der Grenzwert für den NO2-Jahresmittelwert im Jahr 2022 eingehalten wird. Die Landeshauptstadt Stuttgart führt regelmäßig Verkehrszählungen durch, um die weitere Entwicklung zu beobachten.
Ergänzende Information
Hauptverursacher für die Überschreitung der Grenzwerte für Stickstoffdioxid (NO2) ist der Kraftfahrzeugverkehr mit Verbrennungsmotoren – insbesondere Dieselmotoren. Überschreitungen treten dabei insbesondere an stark befahrenen Hauptverkehrsstraßen auf, welche schlecht belüftet sind, beispielsweise durch eine „schluchtartige“ Bebauung.
Die Immissionsgrenzwerte für Stickstoffdioxid (NO2) sowie die Verpflichtung zu deren Einhaltung ergeben sich aus der Luftqualitätsrichtlinie der Europäischen Union (Richtlinie
2008/50/EG) und deren Umsetzung in nationales Recht im Rahmen des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (BImSchG) sowie aus den entsprechenden Verordnungen. Für Stickstoffdioxid (NO2) gelten Grenzwerte für den Jahresmittelwert von 40 µg/m³ und für kurzzeitige Konzentrationsspitzen von 200 µg/m³ im Stundenmittel bei 18 zugelassenen Überschreitungen im Kalenderjahr. Dieser Wert wird seit dem Jahr 2017 landesweit eingehalten.
Für Feinstaub PM 10 gelten Grenzwerte für den Jahresmittelwert von 40 µg/m³ und den Tagesmittelwert von 50 µg/m³ bei zugelassenen 35 Überschreitungen im Kalenderjahr. Die Grenzwerte für Feinstaub werden in Stuttgart, wie auch sonst in Baden-Württemberg, flächendeckend seit dem Jahr 2018 eingehalten.
Die aktuellen Luftmesswerte sowie Jahresauswertungen seit 2016 stehen auf den Seiten der LUBW zur Verfügung: https://www.lubw.baden-wuerttemberg.de/luft/messwerte-immissionswerte#karte