Minister Hermann: Personalmangel in der Bahnbranche mildern – Integration durch Qualifizierung mit Modellcharakter
In einem konzertierten Projekt fördert das Verkehrsministerium Baden-Württemberg gemeinsam mit der Bundesagentur für Arbeit die Qualifizierung von Flüchtlingen zu Triebfahrzeugführern. Innerhalb von rund 15 Monaten sollen Menschen, die in einem geklärten Aufenthaltsstatus im Land leben und über hinreichend gute Deutschkenntnisse verfügen, für diesen wichtigen Beruf umfassend geschult werden. „Wir sehen darin ein großes Potential für diesen sehr wichtigen Aufgabenbereich“, betont Verkehrsminister Winfried Hermann, MdL. „Das Projekt könnte zum Modell zur Qualifizierung von Geflüchteten werden“, sagt Christian Rauch, der Leiter der Regionaldirektion Baden-Württemberg der Bundesagentur für Arbeit.
Beim Beruf des Triebfahrzeugführers wird ein großer Bedarf gesehen. Aufgrund dieser absehbaren Entwicklung hatte das Ministerium für Verkehr in den vergangenen Monaten einen Runden Tisch zur Qualifizierung der Triebwagenfahrzeugführer einberufen. Teilgenommen haben alle großen Eisenbahnverkehrsunternehmen im Land, der Bundesagentur für Arbeit, mehrere Gewerkschaften aus dem Transportbereich sowie Vertreterinnen und Vertreter anderer Landesministerien sowie des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge.
Geklärt ist nun, wie die Hilfe vonstattengehen soll: Das Ministerium plant, bei der Qualifizierung der Flüchtlinge die Eisenbahnunternehmen von den Kosten teilweise zu entlasten, die speziell bei der Qualifizierung von Geflüchteten entstehen. Vorgesehen ist, sogenannte Integrations-Coaches zu finanzieren, welche die künftigen Triebfahrzeugführer unterstützen. Daneben sollen berufsspezifische Sprachkurse von den Eisenbahnunternehmen organisiert und damit die allgemeine Sprachförderung des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF) ergänzt werden. Die Bundesagentur für Arbeit sagte zu, entsprechende Bildungs- und Qualifizierungsmaßnahmen zu unterstützen. Um das Konzept passgenau auf die Bedürfnisse der Eisenbahnunternehmen abzustimmen, wurde beim Runden Tisch vereinbart, das Konzept zunächst in drei Modellregionen zu erproben: Stuttgart, Karlsruhe/Mannheim und Zollernalb/Hechingen. In jeder Region sollen 15 künftige Triebfahrzeugführer ausgebildet werden. Vom Sommer 2019 an könnten die ersten Maßnahmen starten.
An dem Projekt beteiligen sich DB Regio Baden-Württemberg, Abellio, GoAhead, Südwestdeutsche Landesverkehrs-AG (SWEG), Württembergische Eisenbahngesellschaft (Transdev), Albtal-Verkehrs-Gesellschaft (AVG), sowie die MEV Eisenbahn-Verkehrsgesellschaft, einem Personaldienstleister im Schienensektor.
Verkehrsminister Winfried Hermann erklärt: „Der Schienenpersonennahverkehr in Baden-Württemberg und mit ihm auch alle beteiligten Eisenbahnverkehrsunternehmen, Organisationen und Partner haben den gemeinsamen Anspruch, den Fahrgästen weiterhin ein Höchstmaß an Qualität, Verlässlichkeit und Sicherheit zu bieten. Neben den vielen Aktivitäten zur Personalgewinnung, bei denen das Land die Eisenbahnunternehmen unterstützt, ist die Qualifizierung geeigneter Flüchtlinge zu Lokführern und Lokführerinnen ein weiterer Baustein, um den Personalmangel im Regionalverkehr zu mindern. Gleichzeitig kann die Beschäftigung von Flüchtlingen im Bahnverkehr ein wichtiger Beitrag zu deren Integration sein.“
Der gegenwärtige Fachkräftemangel in Deutschland stellt auch die Bahnbranche vor große Herausforderungen. Weit mehr als 1.000 Stellen müssen allein in Baden-Württemberg in den kommenden Jahren im Schienenpersonennahverkehr (SPNV) neu besetzt werden. Neben Triebfahrzeugführer wird bei den beteiligten Eisenbahnverkehrsunternehmen auch ein Bedarf an weiteren Fachkräften wie etwa Werkstattpersonal und Gleisbauern gesehen. Dass dieses Projekt auch auf andere Gruppen wie etwa Langzeitarbeitslose ausgedehnt wird, schließt man beim Stuttgarter Verkehrsministerium nicht aus.
„Für uns hat das Projekt Modellcharakter, weil es viele Hemmnisse beseitigt, auf die wir bisher gestoßen sind,“ sagt Christian Rauch, der Leiter der Regionaldirektion Baden-Württemberg der Bundesagentur für Arbeit. Einen besonderen Vorzug sieht Rauch darin, dass die künftigen Triebfahrzeugführer bereits während der Maßnahme einen Lohn erhalten sollen, der deutlich über der Entlohnung eines gewöhnlichen Auszubildenden liegt. Geplant ist ein Bruttogehalt von rund 2.100 Euro im Monat. „Dies könnte in anderen Branchen, die ebenfalls Fachkräfte unter den Flüchtlingen suchen, auf großes Interesse stoßen“, sagt Christian Rauch. Nach Schätzungen der Agentur für Arbeit leben in Baden-Württemberg rund 44.000 Flüchtlinge im gesicherten Status, die arbeitssuchend sind und für das Programm in Frage kommen.
In Kürze: Fragen und Antworten
Wieso gibt es das Modellprojekt?
Bei Lokführern zeichnet sich ein großer Fachkräftemangel ab. Rund 1000 Stellen müssen in diesem Bereich in den nächsten Jahren besetzt werden. Als neue Lokführer und Lokführerinnen kommen alle technisch vorgebildeten oder interessierten Bewerber mit guten Deutschkenntnissen in Frage. Mit dem Modellprojekt „Qualifizierung Geflüchteter zu Lokführern“ soll aus der Gruppe der Geflüchteten Nachwuchs für diesen Beruf gewonnen werden. Nach Schätzungen der Bundesagentur für Arbeit kommen aus diesem Personenkreis rund 44 000 Menschen in Frage.
Wie kam es dazu und wer steht dahinter?
An einem vom Verkehrsministerium ins Leben gerufenen runden Tisch zum Personalmangel im Regionalverkehr haben sich die Agentur für Arbeit, alle wichtigen Eisenbahnunternehmen, die Gewerkschaften und Vertreter anderer Ministerien auf das Modellprojekt „Qualifizierung Geflüchteter zu Lokführern“ verständigt.
Wer kommt für das Projekt in Frage?
Das Programm „Weiterbildung Geringqualifizierter und älterer Beschäftigter in Unternehmen“ (WeGebAU) richtet sich an alle Interessentinnen und Interessenten mit entsprechender technischer Vorbildung oder technischem Interesse, auch an deutsche Staatsbürger. Es bildet die Grundlage für das Modellprojekt „Qualifizierung Geflüchteter zu Triebfahrzeugführern“, welches speziell auf Flüchtlinge ausgerichtet ist – natürlich ebenfalls mit entsprechender technischer Vorbildung oder technischem Interesse, mit geklärtem Aufenthaltsstatus und mit hinreichend guten Deutschkenntnissen. Integrationstrainer sollen zusätzlich bei sprachlichen und kulturellen Fragen helfen. 45 Geflüchtete sollen so zu Lokführern ausgebildet werden.
Welche Voraussetzungen müssen die Bewerber mitbringen?
- Gesicherter Aufenthaltsstatus: Verfahren muss abgeschlossen sein
- Sprachniveau B2 oder besser
- Gute körperliche und psychische Gesundheit: Es gibt eine medizinische Einstellungsuntersuchung
- Ideal: Technische Vorbildung, Erfahrung im Umgang mit Maschinen. Mindestanforderung: Sehr hohes technisches Interesse
- Hohe Lernbereitschaft und Fleiß: Es müssen zahlreiche Aspekte des Eisenbahnbetriebs in sehr kurzer Zeit gelernt werden
Wo können sich Interessenten bewerben?
Interessenten bewerben sich für das Modellprojekt direkt bei den Eisenbahnverkehrsunternehmen. Diese entscheiden allein über die Einstellung und leiten die weiteren Schritte in die Wege. Auf dieser Liste sind die Kontaktadressen aufgeführt.
Wie erklärt sich der Lohnunterschied zur Ausbildung?
Das Programm „Qualifizierung Geflüchteter zu Triebfahrzeugführern“ spricht Menschen mit technischer Fortbildung/ technischem Interesse und guten Deutschkenntnissen an. Sie bringen wichtige Grundlagen für den Beruf des Lokführers mit und sollen von den Eisenbahnunternehmen während der Qualifizierungsphase neben der Weiterqualifizierungsvereinbarung einen Anstellungsvertrag als Helfer erhalten. Die Entlohnung richtet sich in diesem Fall nach der zwischen dem jeweiligen Teilnehmer und dem EVU geschlossenen Anstellungsvertrag, wobei sich die Höhe der Entlohnung aus dieser Vereinbarung ergibt. Die Höhe der Entlohnung orientiert sich daher nicht an dem Ausbildungslohn des 3. Lehrjahres, sondern an der üblichen Entlohnung eines entsprechenden Helfers (Orientierungspunkt. 2.100,00 Euro brutto).
Welchen Umfang hat das Projekt?
Mit dem Modellprojekt sollen 45 Flüchtlinge zu Lokführern und Lokführerinnen weitergebildet werden. Bis zu 9 Integrationstrainer wird das Verkehrsministerium finanzieren.