Verkehrspolitik

Hermann: Es braucht eine Mobilitätswende

Winfried Hermann, Minister für Verkehr (Bild: Joachim E. Roettgers GRAFFITI)

Es gilt das gesprochene Wort. Aus Gründen der besseren Lesbarkeit, wurde die Rede in Teilen gekürzt.
 

Einen wunderschönen Guten Abend, 

meine Damen und Herren, ich begrüße Sie alle zusammen, auf einmal, aber herzlich.

Ich darf Ihnen im Namen des Ministerpräsidenten und der gesamten Landesregierung die besten Wünsche zum neuen Jahr 2017 überbringen und ich wünsche Ihnen, dass Ihre Vorsätze in Erfüllung gehen. 

Wenn ich die Vorsätze des Ministerpräsidenten verraten darf – der hat heute gesagt: Ich habe mir vorgenommen, mich nicht mehr so oft aufzuregen, sondern eher cool zu regieren. Diesem Motto schließe ich mich an.

Eine Landesregierung muss sich Vorsätze machen. Das ist keine Möglichkeit, sondern eine Notwendigkeit. Und wir Grünen in der Landesregierung haben uns etwas fest vorgenommen. Der Fraktionsvorsitzende Andreas Schwarz und andere haben schon darauf hingewiesen: wir wollen mit aller Kraft etwas dafür tun, dass die Gesellschaft zusammenwächst, dass Integration gelingt - und zwar für alle! 

Wir wollen den Zusammenhalt fördern - auch durch Gemeinsinn, durch Gemeinschaftserlebnisse.
Wir wollen die Welt tatsächlich auch gerechter machen.
Wir wollen die Schulen umwelt-, leistungs- und schülergerechter machen.
Wir wollen die Wissenschaft dazu bringen, dass sie auch in die Zukunft schaut und Kräfte für uns mobilisiert und wir wollen sie gleichzeitig stärken.
Wir wollen Umwelt- und Klimaschutz weiter vorantreiben.
Als Verkehrsminister will ich natürlich auch die Mobilitätswende vorantreiben. 

Und all das zusammen heißt dann: nachhaltige Entwicklung. Das ist ein langwieriger, aber auch ein notwendiger Prozess: Das sind unsere Ziele!

Sie werden vielleicht sagen: „Naja, die haben Sie sich zwar viel vorgenommen, aber wie wollen Sie das eigentlich schaffen?“
Ich sage: Wir müssen das schaffen! Denn wir sind schließlich die beiden größten Fraktionen im Landtag. Wir stellen die Regierung. Wir haben also eine große Verantwortung und große Chancen und immerhin kann man nach einem guten halben Jahr sagen: Grüne und CDU arbeiten deutlich besser zusammen als wir alle geglaubt haben.
Wir können als großes Ganzes so einiges erreichen - wenn wir es wollen und wenn auch Sie es wollen. Denn eines ist klar: In einer Demokratie kann Politik, kann Regierung nie gelingen, wenn die Bevölkerung nicht mitmacht. Dies ist ja keine Veranstaltung der Regierung, sondern eigentlich eine Veranstaltung von und mit allen und jeder an seinem Platz muss seinen Beitrag leisten, sonst klappt es nicht. Das kann nur so funktionieren. 

2017 ist ein Wahljahr. Jetzt kann man sagen: „Blöd, dass ich schon wieder wählen muss.“ Man könnte aber auch sagen, dass man es zu einem Fest der Demokratie macht. Zum Fest der Beteiligung. In das wir uns einmischen. Es gibt Wahlen in Nordrhein-Westfalen, Schleswig-Holstein, dem Saarland oder in Frankreich, den Niederlanden, in Norwegen - und im September können auch Sie hier den Bundestag wählen. Meine große Bitte ist: Nutzen Sie die Chance! Denn die Politik, die Regierung ist immer nur so gut oder so schlecht wie ihre Gesellschaft. Sie kann nicht besser sein als die, die sie wählen. Und Sie haben jetzt die Möglichkeit sie besser zu gestalten. 

Ich habe für die Bundestagswahl drei Wünsche zu deren Erfüllung Sie etwas beitragen können.
Mein erster Wunsch ist: Ich wünsche mir, dass dieser Wahlkampf sachlich und fair geführt wird und dass Fakten und Argumente zählen.
Ich wünsche mir zweitens, dass hart in der Sache gestritten wird. Ich wünsche mir echte Debatten und keine Scheindebatten.
Und drittens wünsche ich mir, dass wirklich große Zukunftsfragen angegangen und gestellt werden. Dass darüber diskutiert wird. 

Zum Beispiel: Wie sichern wir Wohlstand, Arbeit und Lebensqualität im Zeitalter der Digitalisierung? Oder: Wie schaffen wir mehr Gerechtigkeit, mehr Zusammenhalt in einer Gesellschaft, die global und innergesellschaftlich doch ziemlich ungleich und ungerecht ist?
Wie sichern wir Frieden oder wie stärken wir die europäische Union als Friedensunion?
Wie verhindern wir die Klimakatastrophe? Wie verbessern wir die Energieversorgung, die Mobilität und die Wirtschaftlichkeit?

Auf all diese Fragen erwarte ich differenzierte Konzepte von den richtigen Parteien und Streit darüber, was das beste Konzept ist. Was ich nicht möchte sind Pseudo-Debatten, wie etwa die über das Burka-Verbot, die nichts mit realen Problemen zu tun haben. Oder die 101. Talkshow mit dem immer gleichen Problem der Flüchtlingskrise - ohne sich wirklich Gedanken zu machen was die Ursachen sind und wie man diese bekämpft und löst und zwar dauerhaft. 

Wir sollten uns als Menschen einer Wohlstandsgesellschaft bewusst sein, dass man nicht überall auf der Welt Urlaub machen, nicht überall in die Welt hinaus seine Produkte verkaufen und von überall her einkaufen kann, aber gleichzeitig nichts mit den Problemen der Welt zu tun haben will. Das wird nicht funktionieren. Wir müssen Verantwortung übernehmen und erkennen, was unsere eigene Verantwortung an den Problemen ist.

 

Mobilität und Umweltschutz

Der Verkehr ist weltweit inzwischen ein Klimaschutzproblem. Gut 20 Prozent der Treibhausgase kommen aus dem Verkehrssektor, vor allem verursacht durch Luft- und Straßenverkehr. In Baden-Württemberg kommen sogar 30 Prozent aus dem Verkehrssektor. Das ist inzwischen das größte Problem in Sachen Treibhauseffekt. Natürlich hat das damit zu tun, dass wir ein Auto-Land sind und ziemlich viel Auto fahren. Der Verkehr verursacht allerdings nicht nur Treibhausgase, sondern vor allem in Ballungsräumen auch dreckige Luft durch Feinstaub und Stickoxide. Und auch hier will ich ein deutliches Wort sprechen: Die Aufgabe der Politik ist es, nicht den letzten Alt-Diesel gewissermaßen unter Artenschutz zu stellen und fahren zu lassen, sondern die Menschen und deren Gesundheit zu schützen.

 

200 Jahre Fahrradjubiläum

Baden-Württemberg ist Erfinder und Land des Autos, aber wir sind auch Erfinder des Rads.
Dieses Jahr feiern wir 200 Jahre die Erfindung des Laufrads durch Karl Drais. Wir wollen das Jahr 2017 zum Jubiläumsjahr des Rads, des Fahrrads machen - aber eben nicht nur zum Fest-Jahr. Wir wollen generell auch durch die Politik die Förderung des Radverkehrs vorantreiben - im ganzen Land. Wir feiern das Rad nicht nur als Sonntagstransportmittel, sondern als Alltagstransportmittel. Denn wir glauben es ist vernünftig, es ist gesund, es ist umweltfreundlich und es ist Teil moderner Mobilität. 

 

Mobilitätwende gestalten

Aber natürlich wissen wir auch, dass 80 Prozent unseres Verkehrs auf der Straße passiert, im Auto. Deswegen ist die moderne Verkehrspolitik nicht eine Fahrrad-Politik oder eine ÖPNV-Politik, sondern sie kümmert sich um alle Verkehrsteilnehmer, gerade auch um das Auto. Und natürlich müssen wir, gerade im Verkehrsbereich „Auto“, einiges ändern.
Deswegen braucht es eine Mobilitätswende. Es muss sich an der Technologie etwas ändern, aber auch beim Menschen. Die Technik kann nicht all unsere Probleme lösen. Wir müssen überlegen, was auch wir zur Verkehrswende beitragen können. Und es wird sich viel verändern. Das Auto wird sich verändern. Technik, Digitalisierung - manche sagen, das Auto wird zum fahrenden Ipad.
Gerade in Neckarsulm befinden sich 38.000 Arbeitsplätze im Automotivsektor – die meisten davon bei Audi. Und es ist klar, dass diese Arbeitsplätze von den zurzeit stattfindenden Entwicklungen massiv betroffen sind. Und wenn wir als Grüne über das Ende des Verbrennungsmotors nachdenken und über Alternativen, dann tun wir das nicht weil wir die Autofahrer ärgern wollen oder Neckarsulm arbeitslos machen, sondern wir machen das natürlich aus Sorge um Umwelt, Klima und Menschen aber auch aus Sorge um Arbeitsplätze. Denn eines muss klar sein: Wenn wir es verpassen diese Zukunftsentwicklung im Bereich des Automobilsektors an der Spitze mit zu begleiten, mit zu steuern, dann sind diese Arbeitsplätze schneller weg als wir schauen können. 

Eine gute Verkehrspolitik hat also auch die Aufgabe, klimaneutrale, nachhaltige Mobilitätskonzepte und Transportmittel voranzutreiben - saubere Autos und eine nachhaltige Mobilität. Und wenn die Industrie zu langsam ist, dann müssen wir sie drängen. Dann ist es unsere Aufgabe und Pflicht dies zu tun. 

 

Mobilität in der Region

Wir alle wissen, dass unsere Region auch Stauregion ist -  aber welche Region ist das nicht? Man sollte sich allerdings immer selbst bewusst machen, dass wenn man im Stau steht, es nicht die anderen sind die Schuld am Stau haben, sondern dass man Stau auch immer selbst mit verursacht und man eine eigene Verantwortung trägt. Deswegen ist es so wichtig, dass man über Mobilitätskonzepte nachdenkt.
Trotzdem weiß ich natürlich, dass beispielsweise die A6 zwingend ausgebaut werden muss - und das wird in den nächsten fünf Jahren auch passieren. Wir werden über einen partiellen Ausbau der B27 sprechen und diesen realisieren und auch die Anschlüsse an die B27 gilt es zu verbessern.
Das sind nur einige Punkte, die die Region, die Firma Audi, die Firma Lidl und die Oberbürgermeister an mich herangetragen haben. Das habe ich ernst genommen. Wir haben Arbeitsgruppen gebildet und uns gefragt: Was braucht man um die Probleme zu lösen? Nicht jede Straße ist notwendig. Was erzeugt neue Probleme? Denn oft erzeugt neuer Straßenbau auch neuen Verkehr. Das wollen wir nicht. 

Guter Verkehr wird nur gelingen, wenn wir auch den ÖPNV und den Fuß- und Radverkehr ausbauen. In der Region hat man mit dem Ausbau der Regionalstadtbahn große Fortschritte gemacht. Das ist, glaube ich, wirklich eine große Sache. Viele andere Regionen in Baden-Württemberg haben das nicht geschafft. Insofern Glückwunsch, dass es gelungen ist!
Jetzt müssen wir es nur noch schaffen, dass die Stadtbahn auch wirklich pünktlich ist, dass sie besser vernetzt wird und dass der Busverkehr der Stadtverkehr mit den Stadtbahnen vertaktet wird.
Das gehört zu einer vernetzten, modernen Mobilität. 

Und ich will es noch einmal deutlich sagen: Was die Deutsche Bahn in den letzten Wochen und Monaten abgeliefert hat ist inakzeptabel. Es sind unglaublich viele Züge, auch in dieser Region, ausgefallen. Deswegen haben wir einen wöchentlichen Rapport mit der DB Regio vereinbart und versucht, die Sache besser zu machen. Und es ist auch schon besser geworden, aber ich bleibe dabei: Die Bahn muss sauberer, pünktlicher und verlässlicher werden! Sonst wird Verkehr nicht gelingen. 

Wir wollen insgesamt das Angebot im SPNV verbessern. Das geschieht kontinuierlich. In den nächsten Jahren werden wir neue Züge und eine Vertaktung im ganzen Land haben - von morgens bis spät abends. Wir werden auch in dieser Region das Schienenverkehrsangebot deutlich verbessern und wir werden auch daran arbeiten, dass die Engpässe, auf der Strecke der Frankenbahn zum Beispiel, beseitigt werden.

Wir haben uns viel vorgenommen, aber ich weiß, sie haben sich auch viel vorgenommen. Die Mobilitätskonzeption der Stadt und dieser Region lassen sich gut zusammenführen. 

Ich komme zum Schluss. Meine Damen und Herren, sie haben gemerkt: viele Ideen, viele Konzepte. Wir wollen Baden-Württemberg auch 2017 moderner, zukunftsfähiger und nachhaltiger machen. Und ich glaube wir haben genügend Kraft, Innovation, Mut, Durchhaltevermögen, „Coolness“ und Freude, das zu realisieren. 

Ich hoffe, Sie unterstützen uns dabei. Vielen Dank.

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