Die vom Bundesverkehrsministerium geplanten Neubeginne im Bundesfernstraßenbau dürften nach Einschätzung des baden-württembergischen Verkehrsministers Winfried Hermann zulasten laufender Baumaßnahmen gehen. „Denn dafür gibt es bisher nicht genügend Geld“, kritisierte Minister Hermann am Dienstag, 4. Dezember 2012 in Stuttgart.
Er reagierte damit auf Aussagen des Parlamentarischen Staatssekretärs im Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, Dr. Andreas Scheuer, wonach nun nach unklaren Kriterien bestimmte Neubaumaßnahmen in Baden-Württemberg begonnen werden sollen. Dabei geht es angeblich um den vierten Bauabschnitt der B 30 - Ortsumgehung Ravensburg, um die B 311- Ortsumgehung Unlingen, um die B 466, Ortsumgehung Süßen (B 10neu) – Donzdorf und um die B 10, Süßen/Ost - Gingen/Ost (Ortsumgehung Gingen). Finanziert werden sollen diese Projekte aus dem vom Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages beschlossenen Sonderprogramm in Höhe von 750 Millionen Euro für den Ausbau der bundesweiten Verkehrsinfrastruktur. Davon sind für Baden-Württemberg etwa 50 Mio. bis 70 Mio. Euro vorgesehen.
Nach Angaben von Dr. Scheuer war die Wahl auf diese Projekte gefallen, weil sie jeweils weniger als 15 Mio. Euro kosten und weil sich örtliche Abgeordnete dafür eingesetzt hätten. Minister Hermann sagte: „Das ist alte Spatenstichpolitik zu Gunsten von Parteifreunden. Eine effektive, anhand von nachvollziehbaren Kriterien ausgerichtete Straßenbaupolitik bleibt auf der Strecke. Da die Projekte teilweise mit den 15 Mio. Euro nicht durchfinanziert sind, werden sie in späteren Jahren den Straßenbauetat belasten und zu einer Verzögerung der übrigen Projekte führen.“ Die vom Bund mittelfristig in Aussicht gestellten Bedarfsplanmittel reichen nicht aus, um ohne Umschichtungen den laufenden Bedarf zu decken. Auch das vor kurzem vom Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestags beschlossene Sonderprogramm ändere daran nichts. Ohne Neubeginne und ohne Sonderprogramme beträgt das Defizit 2013 rund 150 Mio. Euro, 2014 rund 100 Mio Euro und 2015 rund 50 Mio. Euro.
Minister Hermann betonte, das Land werde zusätzliche Gelder aus dem Bundesverkehrsetat gerne annehmen und für den Neu- und Ausbau verwenden. Allerdings habe die Fertigstellung laufender Maßnahmen mit einem Kostenvolumen von rund 700 Mio. Euro Vorrang. Sollten darüber hinaus noch weitere Mittel zur Verfügung stehen, orientiere sich Baden-Württemberg an der Priorisierung für baureife Bundesfernstraßen, die auch Bundesverkehrsminister Dr. Peter Ramsauer begrüßt hat. Die jetzt bekannt gewordenen Pläne des Bundes für Neubeginne stünden dazu allerdings im Widerspruch.
Wenn der Bund nun dennoch die Zusatzmittel für die Eröffnung neuer Baustellen bereitstellt, wird das Land sie trotzdem entgegennehmen. Allerdings kann dies dazu führen, dass laufende Baumaßnahmen verzögert oder sogar unterbrochen werden müssen. Auf diese Weise könnten zwar einzelne Wahlkreise bedient werden, mit dem Grundsatz eines effektiven Einsatzes knapper Haushaltsmittel und fachgerechtem Straßenbau hätte das allerdings nichts mehr zu tun.
Quelle:
Ministerium für Verkehr und Infrastruktur Baden-Württemberg