Verkehrsminister Winfried Hermann kritisiert den Verzicht des Bundes auf Einführung einer CO2-Differenzierung der Lkw-Maut. Lkw, die viel CO2 ausstoßen, sollten deutlich mehr belastet werden als klimafreundliche Fahrzeuge. Außerdem ist die Maut für gewerblichen Güterverkehr ab 3,5 Tonnen (Sprinter) überfällig. Die Freistellung der Kleintransporter wirkt wie eine Subvention des Online-Handels-Verkehrs.
Wichtiger Anreiz für alternative Antriebe im Güterverkehr
Zur Beratung über das Bundesfernstraßenmautgesetz am Freitag in Berlin sagte der Verkehrsminister: „Ohne CO2-Differenzierung fehlt ein notwendiger Anreiz für alternative Antriebe der Güterverkehrsflotten. Es ist aber jetzt wichtig, dass Anschaffung und Betrieb klimafreundlicher Lkw gefördert und klimaschädlichere Fahrzeuge mittelfristig unwirtschaftlich werden. Der Beitrag zum Klima- und Umweltschutz wird sonst sehenden Auges verschenkt. Es ist inkonsequent und letztlich unverantwortlich, CO2-Differenzierung und Maut für Fahrzeuge ab 3,5 Tonnen weiter zu verschieben, obwohl beides im Koalitionsvertrag auf Bundesebene steht.“
Der Handlungsdruck ist enorm
„Das Klimaschutzsofortprogramm steht jetzt an. Der Handlungsdruck für Klimaschutz im Straßenverkehr ist enorm“, so Verkehrsminister Hermann weiter. In Baden-Württemberg würden vier Fünftel aller Güter auf der Straße transportiert, wodurch fast ein Drittel der CO2-Emissionen im Straßenverkehr entstehen. „Dies belastet und verschleißt Straßen und Brücken.“ Die Nutzerfinanzierung sei eine wichtige Säule bei der Sanierung. Hier brauche es eine Erhöhung, die über 10 Prozent hinausgehe.
Mit dem Gesetzentwurf zum Bundesfernstraßenmautgesetzes sollen die Mautgebühren – insbesondere die Anteile für Lärmkosten und Luftverschmutzung für Lkw – steigen. Anlass sind neue Vorgaben der europäischen Wegekosten-Richtlinie. Das ist ein wichtiger Schritt, damit die Kosten des Straßengüterverkehrs den Nutzern der Infrastruktur verursachergerecht angelastet werden.
Lkw-Maut auch für Landes- und Kommunalstraßen
„Eine verursachergerechte Lkw-Maut sollte weiter ausgeweitet werden – von Autobahnen und Bundesstraßen auf alle Straßen“, machte Verkehrsminister Hermann deutlich. Schließlich belaste der Lkw-Verkehr alle Teile des Straßennetzes. „Die Mautausweitung auf Landes- und Kommunalstraßen ist der nächste wichtige Schritt.“ Deshalb fordert Baden-Württemberg die Bundesregierung auf, die rechtlichen Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass die Lkw-Maut auch auf Landes- und Kommunalstraßen erhoben werden kann. Es sei zudem höchste Zeit, die 2011 eingeführte Zweckbindung der Mauteinnahmen ausschließlich für die Bundesfernstraßeninfrastruktur aufzuheben.
Land hält auch eigene Lösung für möglich
Eine bundesweite Regelung für eine Mautausweitung auf Landes- und Kommunalstraßen erleichtere die Umsetzung in den Ländern. Das trage zur Verkehrswende bei, indem es zusätzliche Anreize für den Gütertransport über Schiene und Wasserwege schaffe. Überdies könnten die Länder durch die Maut Mittel generieren, die sie für Erhalt und Sanierung der Landesstraßen dringend benötigen. Falls keine bundesweite Lösung zustande kommen sollte, ist Baden-Württemberg bereit, hier notfalls allein voran zu gehen, um im Land die ambitionierten Klimaschutzziele zu erreichen. „Wir können uns als Vorreiter klimaschutzorientierter Verkehrspolitik durchaus vorstellen, die Lkw-Maut eigenständig zu bestreiten“, so Verkehrsminister Hermann. Die Landes-Mautsätze sollten sich an den Bundes-Mautsätzen orientieren. Deshalb sei es wichtig, dass die Bundes-Lkw-Maut zukunftsfähige sowie klima- und umweltschützende Regelungen enthält.
Hintergrund
Fast 80 Prozent aller Güter werden in Baden-Württemberg auf der Straße transportiert, das erzeugt circa 30 Prozent der CO2-Emissionen im Straßenverkehr. Das Straßennetz wird vom Schwerverkehr besonders beansprucht, ein hoher Sanierungsaufwand ist die Folge. Zudem hat der gewerbliche Güterverkehr ab 3,5 Tonnen in den letzten Jahren spürbar zugenommen. Rund 75 Prozent der in Baden-Württemberg zugelassenen Lkw fallen unter diese Gewichtsklasse. Nicht zuletzt durch die Zunahme des Online-Handels in der Pandemie nehmen die innerörtliche Belastung für Bürgerinnen und Bürger sowie die Folgekosten bei Erhalt und Sanierung der Straßeninfrastruktur weiter zu.
Bereits ein Vergleich der Streckenlängen zeigt: Während in Baden-Württemberg circa 1.000 km Autobahnen und circa 4.150 km Bundestraßen verlaufen, beträgt das Streckennetz der Landesstraßen bereits circa 10.000 km und das der Kreisstraßen circa 12.000 km.
Allein durch die Ausweitung der Lkw-Maut auf Landes- und Kommunalstraßen erwartet das Land Baden-Württemberg geschätzte Mehreinnahmen - noch auf Grundlage der alten Bundes-Mautsätze - in Höhe von jeweils 100 Millionen Euro für Land und Kommunen. Diese Mittel sollen für Erhalt und Umbau der Straßeninfrastruktur sowie für den Ausbau des Schienengüterverkehrs und der Binnenschifffahrt verwendet werden.