Verkehr

Warum fährt ein Zug? – Fragen und Antworten zum Schienenpersonennahverkehr

Das Land Baden-Württemberg ist verantwortlich für den Schienenpersonennahverkehr. Es schließt Verträge mit Eisenbahnverkehrsunternehmen (EVU) und bestimmt damit, welche Strecken in welchem Takt und mit welchen Zugtypen bedient werden. Bislang gilt noch ein großer Verkehrsvertrag mit der Deutschen Bahn aus dem Jahre 2003. Zukünftig sind die Verträge das Ergebnis von offenen Ausschreibungen, in denen verschiedene Anbieter um das günstigste Angebot konkurrieren. Ab 2016 wird ein Großteil des regionalen Schienenverkehrs neu vergeben. Die Vorbereitungen laufen bereits auf Hochtouren.

Das Ministerium für Verkehr und Infrastruktur beantwortet dazu die wichtigsten Fragen.

Wer finanziert die Züge?

1996 ging die Verantwortung für den regionalen Schienenpersonennachverkehr vom Bund auf die Länder über. Sie erhalten dafür einen fixen Anteil aus dem Mineralölsteueraufkommen des Bundes – die so genannten Regionalisierungsmittel. Der Anteil Baden-Württembergs ist gesetzlich auf 10,4 Prozent festgelegt. Das entspricht 2012 einer Summe von 739,6 Millionen Euro. Seit 2009 steigen die Mittel jährlich um 1,5 Prozent. In den Jahren zuvor hatte es zum Teil erhebliche Kürzungen gegeben. Nach wie vor liegt die Steigerung zudem unter der Kostenentwicklung für Energie, Trassen und Stationen.

Wer erhält dieses Geld?

Größter Anbieter im Schienenpersonenverkehr Baden-Württembergs ist die Bahntochter DB Regio. Mit ihr hat das Land 2003 einen großen Verkehrsvertrag geschlossen, der noch bis 2016 läuft. Dieser Vertrag umfasst eine Leistung von 39 Millionen Zugkilometern pro Jahr. Insgesamt fahren in Baden-Württemberg 14 Verkehrsunternehmen pro Jahr 64 Millionen Zugkilometer.

Wie viel kostet ein Zugkilometer?

Derzeit bezahlt das Land Baden-Württemberg auf Basis des großen Verkehrsvertrages gut zehn Euro an die Bahn. Der Vertrag legt fest, dass die Entgelte entsprechend der Kostenentwicklung steigen. Für die Höhe der Vergütung ist die schwarz-gelbe Vorgängerregierung oft kritisiert worden. Da die jährliche Anpassung der Regionalisierungsmittel nicht einmal die steigenden Kosten für Energie, Trassen und Stationen ausgleicht, entsteht durch die steigenden Entgelte eine strukturelle Finanzierungslücke, die ab 2013 40 Millionen Euro jährlich beträgt. Sie wird nach beträchtlichen Anstrengungen der grün-roten Koalition aus Landesmitteln geschlossen werden. Geringere Bestellerentgelte als Folge einer Neuausschreibung sollen diese Situation zukünftig beenden.

Wie funktioniert eine Ausschreibung?

Läuft ein Verkehrsvertrag aus, startet das Ministerium für Verkehr und Infrastruktur – unterstützt von der Nahverkehrsgesellschaft Baden-Württemberg – ein Wettbewerbsverfahren. Es verfolgt das Ziel, die Qualität durch verbesserte Fahrplankonzepte oder den Einsatz neuer Fahrzeuge zu steigern und gleichzeitig die Kosten zu senken. Das Ministerium definiert die Bedingungen für die Leistungen, die vom siegreichen Eisenbahnverkehrsunternehmen erbracht werden müssen, arbeitet die entsprechenden Konditionen aus und veröffentlich das Ausschreibungsverfahren.

Warum müssen Ausschreibungen für ab 2017 gültige Verträge jetzt schon angegangen werden?

Je höher die Auftragssumme, umso aufwändiger muss die öffentliche Hand ihr Vergabeverfahren gestalten. Möglichst viele Bieter sollen sich beteiligen und gründlich vorbereiten können. Verkehrsverträge müssen aufgrund ihres hohen Volumens grundsätzlich europaweit ausgeschrieben werden. Ankündigung, Veröffentlichung und Einholung der Angebote benötigen aufgrund vorgegebener Fristen ungefähr ein Jahr Zeit, mit mindestens einem weiteren halben Jahr muss man für die Auswertung und Vergabe der Angebote rechnen. Zuzüglich eventueller Einspruchsverfahren unterlegener Mitbewerber kann der siegreiche Anbieter dann die Züge bestellen. Aufgrund z.T. langer Lieferfristen benötigt dies ebenfalls mehrere Jahre Vorlaufzeit.

Was tut das Land Baden-Württemberg für eine erfolgreiche Ausschreibung?

In Baden-Württemberg werden als Folge des großen Verkehrsvertrages in den kommenden Jahren nahezu sämtliche Zugleistungen neu vergeben. „Wer Wettbewerb, mehr Leistungen für die Fahrgäste und einen dichteren Takt will, kann dieses Volumen nicht in einem Stück auf den Markt bringen“, erklärt Minister Winfried Hermann. Allein schon aufgrund der schieren Masse wären kleinere Anbieter als die DB Regio nicht in der Lage, für einen Großteil der Netze mitzubieten. Auf einigen Strecken hätte die Bahn kaum oder keine Konkurrenz und könnte die Preise diktieren. Eine Neuausschreibung dieser Fahrleistungen zu einem Fixtermin würde daher zu weniger Wettbewerb führen. Der Vergabekalender wird daher entzerrt.

Was sind die nächsten Schritte des Ministeriums?

2012 hat sich gezeigt, dass die in früheren Jahren vorbereiteten Angebotskonzeptionen im vorgegebenen Finanzrahmen der Regionalisierungsmittel nicht umsetzbar sind. Deshalb muss nun nachjustiert werden. Mit Hilfe von externem Sachverstand errechnet das Ministerium den Finanzbedarf der einzelnen Vergabenetze durch. Ziel ist ein einheitlicher Standard für die Schiene – bei vergleichbaren Rahmenbedingungen soll es ein vergleichbares Angebot für die Bürgerinnen und Bürger geben. Das betrifft vor allem den Fahrplantakt und die Ausstattung der Fahrzeuge. Das Ministerium erstellt einen Vergabeplan, der das Ziel „bessere Leistung nach landeseinheitlichen Standards auch bei knappen Finanzen“ ermöglichen soll. Um auch kleineren Unternehmen eine Teilnahme am Wettbewerb zu ermöglichen, sollen die Ausschreibungen zeitlich entzerrt werden. Außerdem verfolgt das Ministerium Modelle, den Eisenbahnverkehrsunternehmen günstige Kreditkonditionen für die Beschaffung von neuen Zügen zu ermöglichen.

Wie hat der Regierungswechsel von Schwarz-Gelb auf Grün-Rot die Ausschreibungen beeinflusst?

Die Vorgängerregierung hat im Zusammenhang mit dem Projekt Stuttgart 21 eine Angebotskonzeption 2020 entwickelt. Diese setzte auf eine Ausweitung des Angebotes an Zugkilometern von 20 bis 30 Prozent sowie zusätzliche neue Fahrzeuge und höhere Kapazitäten. „Leider hat man die Finanzierbarkeit nie konkret durchgerechnet“, erklärt Minister Winfried Hermann. „Diese Politik basierte auf dem Prinzip Hoffnung. Eine Fortführungen dieses Weges hätte bedeutet, den Karren an die Wand zu fahren“, so Hermann. „Wir haben errechnet, dass Ausschreibungen nach dem alten Ansatz ein zusätzliches jährliches Loch von über 100 Millionen Euro pro Jahr in die Landeskasse gerissen hätten“, so Hermann. Das Ministerium arbeitet nun intensiv an einer Überprüfung und Anpassung. „Unser Ziel ist klar: Soviel Mehrleistung wie möglich im Rahmen der finanziellen Möglichkeiten. Auch im Interesse der Fahrgäste ist hier Sorgfalt genauso wichtig wie Eile.“

Welchen Einfluss hat das Bahnprojekt Stuttgart 21 auf die Ausschreibung?

2016 befindet sich der geplante Stuttgarter Tiefbahnhof im Bau, während der Laufzeit der neuen Verträge soll er fertiggestellt werden. Die Bedingungen, unter denen Züge in Stuttgart einfahren bzw. auftretenden Probleme im Betrieb sind für DB-Konkurrenten schwer kalkulierbar. „Wir müssen uns also große Mühe geben, die Ausschreibung für potenzielle Bieter dennoch attraktiv zu machen“, so Minister Hermann.

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