Regenerativ erzeugte Kraftstoffe („Renewable Energy Fuels“ – reFuels) können einen wichtigen Beitrag dazu leisten, Treibhausgasemissionen im Verkehrssektor zu senken und Klimaschutzziele zu erreichen. Das Ministerium für Verkehr Baden-Württemberg unterstützt den Markthochlauf von reFuels und hat Frontier Economics damit beauftragt, den regulatorischen Rahmen sowie mögliche Business Modelle für reFuels im Verkehrssektor zu untersuchen.
Die vorliegende Studie zum regulatorischen Rahmen und zu Business Modellen für ReFuels (PDF) untersucht den Einfluss des regulatorischen Rahmens für reFuels im Verkehrssektor auf deren Wirtschaftlichkeit und zeigt Business Modelle für reFuels im Verkehrssektor am Beispiel des Flugverkehrs auf. Ziel der Studie ist es dabei, die grundlegende Methodik und zu beachtende Wirkzusammenhänge bei der Bestimmung der Wirtschaftlichkeit von reFuels darzustellen und damit unter anderem Handlungsempfehlungen für das Bundesland Baden-Württemberg zu geben, wie es den Hochlauf von reFuels gezielt unterstützen kann.
Seit Januar 2019 fördert das Land im Rahmen des Strategiedialogs Automobilwirtschaft BW (SDA) das Projekt „reFuels – Kraftstoffe neu denken“ am Karlsruher Institut für Technologie (KIT). Ziel ist es, alternative Kraftstoffe zu fossilen Treibstoffen zu etablieren. Das Projekt wird von der Landesregierung, dem Karlsruher Institut für Technologie und der Industrie im Rahmen des Strategiedialogs Automobilwirtschaft unterstützt. Weitere Informationen zum Projekt finden Sie hier.
Aufbauend auf den Aktivitäten im Projekt „reFuels – Kraftstoffe neu denken“ am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) hat das Verkehrsministerium auch den Luftverkehr betrachtet. Dort soll mittelfristig synthetisches Kerosin mit erneuerbaren Energien als Alternative zu konventionellem Kerosin verwendet werden. Im Luftverkehr wird auch von sustainable aviation fuels (SAF) gesprochen. Kohlenstoffquelle für die Erzeugung von synthetischem Kerosin könnte entweder das CO2 aus der Zementproduktion oder das CO2 aus Direct Air Capture (DAC) sein. Die Zementproduktion trägt prozessbedingt neben dem Verkehr besonders zu einem erheblichen Ausstoß von Kohlendioxid im Land bei.
Wie und mit welcher Technologie und welchen Rahmensetzungen sich zeitnah ausreichende Mengen synthetisches Kerosin für den Flughafen Stuttgart wirtschaftlich herstellen lassen, wird in Zusammenarbeit mit dem Flughafen Stuttgart und SkyNRG untersucht.
Eine Machbarkeitsstudie von INERTEC im Auftrag des Verkehrsminis-teriums zur Erzeugung von synthetischem Kerosin aus Zementwerk-Abgasen ergab, dass das CO2 aus Zementwerksabgasen als Rohstoff für die Erzeugung von reFuels genutzt werden kann. So könnte theore-tisch u.a. unter Verwendung des CO2-haltigen Abgases eines größeren Zementwerkes der Bedarf des Stuttgarter Flughafens an nachhaltigem Kerosin, den sogenannten Sustainable Aviation Fuels (SAF) doppelt gedeckt werden. In die Erstellung der Studie waren die Firmen der Ze-mentwirtschaft in Baden-Württemberg, der Verein Deutscher Zement-werke (VDZ) und der Industrieverband Steine und Erden Baden-Württemberg e.V. (ISTE) eingebunden.
Bei der Zementherstellung entstehen Treibhausgasemissionen, die sich wie folgt verteilen: 49 Prozent Entsäuerung des Klinkers, 35 Prozent Brennstoffe, 12 Prozent Mahlen und 4 Prozent Transport. Im Bereich der Brennstoffe, beim Mahlen und Transport bestehen Optimierungs-möglichkeiten, die Schwertransportfahrzeuge könnten ihre Emissionen mit reFuels verringern. Für die Entsäuerung, bei der das CO2 prozess-bedingt entsteht, besteht keine Alternative solange es keine anderen Baustoffe gibt. Eine Verlagerung der Produktion ins Ausland wäre nicht nur aufgrund langer Transportwege kontraproduktiv, sondern hätte auch Folgen für die lokale Rohstoff- und Bauwirtschaft, verbunden mit wirtschaftlichen und sozialen Effekten.
Aufgrund des prozessbedingten CO2 gelten Zementwerke auch in Szenarien, die eine komplette Abkehr von fossilen Brennstoffen an-nehmen, immer noch als maßgebliche Punktquelle für CO2, die im Ver-gleich zu Direct Air Capture höhere Konzentrationen bieten, eine höhe-re Energieeffizienz bei der Abtrennung und damit geringere Investiti-ons- sowie Betriebskosten.
Die Studie hat die grundsätzliche technische Machbarkeit belegt und für die untersuchen Zementstandorte in Allmendingen (SCHWENK Zement KG), Dotternhausen (Holcim (Deutschland) GmbH), Schelklingen (HeidelbergCement AG) und Wössingen (OPTERRA GmbH)deren Eignung für die Errichtung einer Demonstrationsanlage festgestellt. Für die Produktion von reFuels mit CO2 aus der Zementwirtschaft als Rohstoff sind jedoch auch erhebliche Mengen an erneuerbarem Strom erforderlich. Die großindustrielle Produktion ist daher eher in Ländern mit günstigeren Stromerzeugungsbedingungen zu sehen.
Im Zusammenhang mit der Abscheidung und der Nutzung von CO2 als Rohstoff wird auch von Carbon Capture and Utilization (CCU) gesprochen. Das Verkehrsministerium hält diesen Ansatz für sinnvoller und vor allem sicherer als das sogenannte Carbon Capture and Storage (CCS). Hierbei würde das gewonnene CO2 zum Beispiel unter der Nordsee in leere Gaskammern verpresst.
Weitere Informationen:
- Beitrag strombasierter Kraftstoffe zum Erreichen ambitionierter verkehrlicher Klimaschutzziele in BW
- Studie: Weiterentwicklung der THG-Quote als Instrument des Klimaschutzes
Im Rahmen der Studie wird das Potenzial der Direct Air Capture (DAC)-Technologie durch Wissenschaftler am KIT untersucht. Bei DAC handelt es sich um einen Prozess zur Gewinnung von Kohlenstoffdioxid direkt aus der Umgebungsluft. Im Fokus stehen unter anderem der Energie- und Flächenbedarf sowie die Kosten im Vergleich zu CCU. Die Ergebnisse werden im Herbst 2020 vorliegen.
Das Verkehrsministerium hat eine Kurzstudie in Auftrag gegeben, um Erkenntnisse zu gewinnen, welche Möglichkeiten eine Weiterentwicklung der THG-Quote (Treibhausquote) als Instrument des Klimaschutzes bieten könnte. Die Gutachter der Studie kommen zu dem Ergebnis, dass die Fortführung und Erweiterung der THG-Minderungsquote grundsätzlich ein vielversprechendes Instrument für den Klimaschutz im Verkehr darstellt. Sie wirkt verkehrsträgerübergreifend, lässt sich gut und transparent mit klimapolitischen Zielen verknüpfen und eignet sich vor allem dazu, den Rahmen für eine konsistente und effektive Klimapolitik im Verkehr zu setzen.
Link zur Studie (LINK FEHLT???)
In dem Kurzgutachten wurde untersucht, welchen Beitrag ein höherer Anteil strombasierter Kraftstoffe im Jahr 2030 zur Minderung der Treibhausgasemissionen des Verkehrs in Baden-Württemberg leisten könnte. Die Gutachter der Studie kommen zu dem Ergebnis, dass mit ambitionierten Vermeidungs-, Verlagerungs- und Effizienzmaßnahmen sowie einer 1-prozentigen Beimischung von strombasierten Kraftstoffen, wie sie im Projekt „Energie- und Klimaschutzziele 2030“ des Umweltministeriums Baden-Württemberg unterstellt werden, bis 2030 Minderungen von 31 Prozent gegenüber 1990 erreicht werden können.
Link zur Studie (LINK FEHLT???)
Darüber hinaus gibt es in Baden-Württemberg Eigeninitiativen der Wirtschaft, Pilotanlagen zum unmittelbaren Abfangen von an der Quelle (z.B. Zementwerk) zu errichten, um damit nachhaltiges Kerosin zu produzieren:
Pilotanlage zur CO2-Abscheidung
Unter dem Namen „Cement Innovation For Climate“ (CI4C) hat sich eine Gesellschaft mit den Unternehmen Buzzi/Dyckerhoff, HeidelbergCement, SCHWENK Zement und VICAT gebildet. Gemeinsam arbeiten sie am Projekt „catch4climate“, einer Oxyfuelestanlage beim Zementwerk Mergelstetten. Ziel ist die Erforschung und Entwicklung einer großtechnischen Technologie zur CO2-Konzentration im Zementherstellungsprozess und CO2-Abscheidung sowie der Nachweis der Verwertbarkeit und die Prüfung von Lagerungsmöglichkeiten.
Pilotanlage in Allmendingen
Die SCHWENK KG und INERATEC planen eine Pilotanlage zur Herstellung von Kerosin am Standort von SCHWENK in Allmendingen. Dabei wird die Zement-Abluft direkt in eine Anlage in Containergröße eingeleitet. Mit der innovativen chemischen Reaktortechnologie von INERATEC können Gase im dezentralen Maßstab in flüssige Energieträger oder chemische Wertprodukte umgewandelt werden.
Ziel der vorliegenden Analyse war die Beantwortung der Frage, wie eine Strombelieferung der - vorbe-haltlich des Erhalts einer Förderung und der Darstellbarkeit eines Business Cases - geplanten reFuels Pilotanlage am Standort der MiRO in Karlsruhe mit erneuerbarem Strom im Rahmen eines PPA erfolgen kann und welcher Strombezugspreis bei einer Belieferung ab dem Jahr 2025 hierbei zu erwarten ist.
Für das Erreichen der Klimaziele und die dafür erforderlichen CO2-Einsparungen ist Deutschland auf den Einsatz von erneuerbaren Energiequellen und den Import von alternativen Energieträgern, insbesondere für den Verkehrssektor, angewiesen.
Reallabor Westküste 100
In Schleswig-Holstein wurde eine branchenübergreifende Partnerschaft “Westküste 100” gegründet, die von EDF Deutschland, Holcim Deutschland OGE, Ørsted, Raffinerie Heide, Stadtwerke Heide und thyssenkrupp Industrial Solutions – gemeinsam mit der Entwicklungsagentur Region Heide und der Fachhochschule Westküste gegründet wurde. Ziel des Projekts ist die Produktion von grünem Wasserstoff aus Offshore-Windenergie, unter Nutzung der dabei entstehenden Abwärme. Der Wasserstoff soll sowohl für die Produktion von klimafreundlichem Kerosin für Flugzeuge genutzt sowie in Gasnetze eingespeist werden. Das Projekt wird als eines der wenigen Reallabore der Energiewende des Bundeswirtschaftsministeriums gefördert.