Nachdem nun das erweiterte Verkehrsgutachten vorliegt, haben das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI), das Ministerium für Verkehr Baden-Württemberg (VM) und das Regierungspräsidium Tübingen über die Notwendigkeit eines vier- oder dreistreifigen Straßenquerschnitts der künftigen B31n zwischen Immenstaad und Meersburg gesprochen. Das Gutachten war erforderlich, weil sich bei den vertieften Planungen gezeigt hat, dass die Verkehrsbelastung im Grenzbereich zwischen einer dreistreifigen und einer zweibahnigen, vierstreifigen Lösung liegt.
Das Landesverkehrsministerium hatte sich in einer Gesamtabwägung gegenüber dem Bund für einen dreistreifigen Querschnitt ausgesprochen, da sich damit die Kosten, der Flächenverbrauch, die Belastungen für die Landwirtschaft und insgesamt die negativen Auswirkungen auf Landschaft und Umwelt reduzieren ließen. Die verkehrliche Leistungsfähigkeit könne in den betrachteten Ausbauabschnitten zwischen Überlingen und Immenstaad überwiegend erreicht werden.
Verkehrsminister Winfried Hermann, MdL: „Meines Erachtens kann nur eine dreistreifige Lösung mit einer Querschnittsbreite von 15,5 Metern gegenüber der 28 Meter Querschnittsbreite eines zweibahnigen autobahnähnlichen Querschnitts in dieser hochsensiblen Bodenseelandschaft gebaut werden. Es gilt, die Problematik mit einem weiten Horizont zu betrachten. Aus unserer Sicht dürfen daher nicht nur verkehrliche Aspekte in den Vordergrund gestellt werden. Aspekte des Naturschutzes und des Landschaftsschutzes sowie die Belange des Obst- und Weinbaus haben ebenfalls einen hohen Stellenwert. Zudem könnten mit einer dreistreifigen B 31 alle wesentlichen verkehrlichen Ziele mit nur leichten Einschränkungen der Verkehrsqualität erreicht werden könnten. Dies hat das Verkehrsgutachten des Regierungspräsidiums Tübingen bestätigt.“
Für das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur sind bei einer Abwägung die grundsätzlichen verkehrlichen Punkte wesentlich. „Für den zweibahnigen, vierstreifigen Querschnitt spricht insbesondere die Erhöhung der Verkehrssicherheit, die bessere Entlastung der Ortsdurchfahrten sowie die überregionale Verbindungsfunktion der B 31. Nicht ohne Grund ist die B31 auch so im Bundesverkehrswegeplan - und durch den Bundesgesetzgeber im Bedarfsplan - eingestuft. Wir schließen uns daher der fachlichen Bewertung des Regierungspräsidiums Tübingen an“, so Steffen Bilger, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr und digitale Infrastruktur.
Entscheidung für Variante B1
Dem Landesverkehrsministerium ist bewusst, dass der Bau der B31n einen erheblichen Eingriff darstellt. Die Variante B1 stellt unter Abwägung aller relevanten Aspekte die beste Trasse dar, da die anderen Varianten ebenfalls in wesentliche Schutzbereiche eingreifen würden. Darauf aufbauend werden Bund und Land jetzt die notwendige Projektabstimmung vornehmen.
„In der nächsten Planungsstufe wird der Fokus darauf liegen, die Planung der Variante B1 weiter zu optimieren und möglichst verträglich zu gestalten – für Natur und Landschaft, für die Landwirte und die Betroffenen. Wir wollen den Flächenverbrauch in dieser so hochwertigen und sensiblen Landschaft so gering wie möglich halten, was mit dem nun festgelegten zweibahnigen, vierstreifigen Ausbaus sehr schwierig wird“, betont Minister Hermann.
Weitere Informationen:
Eine zusammengefasste Begründung der Vorzugsvariante B1 ist der Pressemitteilung beigefügt.
Einen ausführlichen Überblick zum Variantenvorschlag und einen Auszug aus dem Verkehrsgutachten zur Leistungsfähigkeit finden Sie auf der Website:
http://b31.verkehr-bodenseeraum.de/
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info@b31.verkehr-bodenseeraum.de
Begründung der Vorzugsvariante B1
Variante B1 stellt unter Abwägung aller relevanten Aspekte die beste Lösung dar.
Die geplanten Informationsveranstaltungen zum Vorschlag der Vorzugsvariante B1 Anfang März wurden angesichts der Ausbreitung des Coronavirus abgesagt. Die Mitglieder des politischen Begleitkreises und das Regierungspräsidium Tübingen hatten sich zum Schutz der Bürgerinnen und Bürger für diese Maßnahme entschieden.
„Wir haben uns die Absage der Veranstaltung nicht leichtgemacht, da ein hohes Informationsbedürfnis in der Raumschaft zur B 31-Planung besteht“, erklärt Matthias Kühnel vom Planungsteam des Regierungspräsidiums Tübingen, „aber der Schutz der Bevölkerung geht vor. Mit dieser Presseinformation und den weiteren, online bereitgestellten Unterlagen wollen wir nun, so gut es geht, unseren Vorschlag zur Vorzugsvariante transparent und nachvollziehbar machen.“ Auch die Untersuchungen zur Querschnittswahl werden online gestellt.
Der Weg zur besten Variante: Der Variantenvergleich
Im Zuge des Beteiligungsverfahrens wurde eine Vielzahl von Trassenvorschlägen eingesammelt. Diese wurden in Variantenbündel zusammengefasst (Variantenbündel A: Korridor Süd, Variantenbündel B: Korridor Mitte, Variantenbündel C: Korridor Nord).
„Im zweiten Schritt wurden die Varianten im Hinblick auf mögliche Konflikte mit den rechtlich vorgegebenen Belangen (v.a. Artenschutz und Schutz der Menschen vor Lärm und Schadstoffen) geprüft– besonders konfliktträchtige Varianten wurden dann gestrichen“, erklärt Gutachter Burchard Stocks, der die umweltfachlichen Planungsbeiträge koordiniert. Neben dem Planungsreferat und weiteren Fachabteilungen des Regierungspräsidiums befassen sich mehr als sechs Ingenieur- und Gutachterbüros unter anderem mit den Themen technische Planung, verkehrliche Auswirkungen, Immissionen und Umweltrelevanz.
Nach der ersten Abschichtung blieben noch zwölf Varianten übrig, für die umfangreiche „Technische Informationen“ erstellt wurden. Dazu gehören unter anderem Trassenlagepläne mit baulich konstruktivem Lärmschutz, tabellarische Dokumentationen zu allen Bauwerken und Flächenbedarf, sowie die Ergebnisse der Untersuchungen zur verkehrlichen Wirksamkeit und zum Lärmschutz.
„Aus jedem Variantenbündel wurde sodann im Rahmen einer ‚Umweltfachlichen Beurteilung‘ die jeweils für Mensch und Umwelt verträglichste, d.h. konfliktärmste Variante definiert. Diese Variante ist dann in den abschließenden, übergreifenden Variantenvergleich eingestellt worden“, erklärt Burchard Stocks.
Vergleich der besten Varianten aus den Variantenbündeln A, B und C
Variantenbündel A
Im Variantenbündel A geht die Variante AB1 als konfliktärmste hervor. Sie würde im Bereich Naturschutz (Artenschutz, Natura 2000) keine maßgeblichen fachlichen oder rechtlichen Konflikte verursachen.
Variantenbündel B
Alle Varianten aus dem Korridor B würden zu nachteiligen Auswirkungen auf fast alle Umweltschutzgüter und Raumnutzungen führen. „Rechtlich entscheidend sind insbesondere die betroffenen Artenschutzbelange“, betont der Umweltgutachter. Bei näherer Prüfung zeigt sich jedoch, dass die nachteiligen Wirkungen der Variante B1 aus fachlicher und rechtlicher Sicht „geheilt“ werden können.
Denn in diesem konkreten Fall sind nach Ansicht der beteiligten Fachgutachter und Tierökologen die Voraussetzungen für die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung nach § 45 BNatSchG gegeben, da sich der Erhaltungszustand der betroffenen Arten bei Durchführung geeigneter Maßnahmen (z.B. Schutzmaßnahmen an der Trasse, Aufwertungsmaßnahmen für Lebensräume der betroffenen Arten) prognostisch nicht verschlechtern wird.
Im Gegensatz dazu lassen sich die mit einer Nordumfahrung von Stetten verbundenen artenschutzrechtlichen Probleme nicht „heilen“. Für die hier zu erwartenden Verbote sind Ausnahmen nicht zu erwarten. Vor allem ist eine Nordumfahrung von Stetten rechtlich nicht zu halten, da mit der Südumfahrung eine zumutbare Alternative vorliegt. „Diese Alternative muss dann gewählt werden (…wenn sie zielführend und zumutbar ist). So schreibt es das Naturschutzrecht vor“, erläutert Burchard Stocks. Eine Nordumfahrung von Stetten zeigt aber auch eine deutlich schlechtere Verkehrswirksamkeit. „Die Ortsdurchfahrt von Stetten (B 33) kann mit der Nordumfahrung nicht entlastet werden, mit einer südlichen Umfahrung jedoch schon“, ergänzt Anne Dittmann, Straßenplanerin des Regierungspräsidiums Tübingen.
Variantenbündel C
„Alle Varianten aus dem Variantenbündel C scheiden aus, da sie nicht heilbare artenschutzrechtliche Verbotssachverhalte für mehrere Tierartengruppen auslösen und somit zur Unzulässigkeit der Planung führen“, ergänzt Franz Feil, Landschaftsplaner des Regierungspräsidiums Tübingen, die Ergebnisse der Untersuchung der Variantenkorridore.
B1 vs. AB1: Wie ist die Abwägung erfolgt?
Beide Varianten sind technisch machbar und aus fachlich-rechtlicher Sicht ist eine Genehmigung vorstellbar. Unter rein umweltfachlichen Aspekten stellt die Variante AB1 den verträglicheren, d.h. eindeutig risiko- und konfliktärmeren Lösungsansatz dar. Jedoch sind nicht nur umweltfachliche, sondern auch weitere Aspekte, u.a. die verkehrliche Zielerfüllung und die Wirtschaftlichkeit, zu berücksichtigen. Der lange Tunnel bei Variante AB1 würde hohe Kosten (Investition und Betrieb) mit sich bringen, und die Ortsdurchfahrt von Stetten könnte durch die neue B 31 nicht entlastet werden.
In Abwägung der maßgeblichen Belange gelangt das Regierungspräsidium Tübingen zu der Empfehlung der Variante B1. Dieser Vorschlag wurde über das Ministerium für Verkehr dem zuständigen Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) zur Prüfung vorgelegt. Ausschlaggebende Gründe für die Variante B1 sind:
- Variante B1 ist ca. 100 Mio.€ günstiger als Variante AB1
- Geringere Folgekosten für Betrieb, Unterhalt und Sanierung
- Deutlich bessere verkehrliche Zielerfüllung der Variante B1 gegenüber AB1
Weitere Gründe für die Entscheidung für die Variante B1:
- Für den Bau von Variante B1 müsste deutlich weniger ins Gelände eingegriffen werden. Die Folge: geringere Erdmassenbewegungen und damit weniger baubedingte Störungen und Beeinträchtigungen der Erholungslandschaft Bodenseeufer.
- Bei allen Varianten muss die B 31alt für den langsam fahrenden Verkehr bestehen bleiben. Bei der Variante AB1 würden die B 31neu und die B31alt jedoch parallel geführt werden.