Infrastrukturfinanzierung

Breites Bündnis für verlässliche und auskömmliche ÖPNV-Finanzierung

Ein breites Bündnis aus Bundesländern, Verkehrsunternehmen und Gewerkschaften macht sich für eine verlässliche und auskömmliche Finanzausstattung des Schienenpersonennahverkehrs (SPNV) stark. Die Verkehrsminister von Baden-Württemberg und Mecklenburg-Vorpommern sowie Vertreter des Verbandes Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV), der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di und der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft EVG forderten am Freitag, 19. Dezember auf einer gemeinsamen Pressekonferenz in Berlin die Bundesregierung auf, für eine deutliche Anhebung der Regionalisierungsmittel zu sorgen. Mit diesen Mitteln bestellen und bezahlen die Länder seit der Bahnreform 1996 den Schienenpersonennahverkehr. 

Baden-Württembergs Verkehrsminister Winfried Hermann kritisierte, dass der Bundesfinanzminister seit Jahren eine Novellierung des Regionalisierungsgesetzes blockiert: „Seit Jahren ist klar, dass die in Artikel 106 a des Grundgesetzes abgesicherte Finanzierungsregelung für die Jahre 2015 folgende erneuert werden muss. Die vom Bund nun vorgesehene Verlängerung um nur ein Jahr bedeutet lediglich ein weiteres Verschieben der Entscheidung. Zwingend notwendig ist aber eine wieder auf 15 Jahre angelegte Finanzierungsperiode. Denn die Länder müssen schon in diesem und den kommenden Jahren mit den Betreibern des Schienenpersonennahverkehrs langjährige Verträge abschließen. Der derzeitige Zustand ist unhaltbar. Ein weiterer Ausbau des umwelt- und klimafreundlichen Nahverkehrs auf der Schiene wird damit verhindert. Dies wird zur Abbestellung von Zügen und einer massiven Einschränkung des Angebots führen. Im Übrigen sind die Mittel schon lange nicht mehr auskömmlich und müssen dringend entsprechend den gestiegenen Kosten angepasst werden.“ Um Zugabbestellungen zu vermeiden muss Baden-Württemberg allein im laufenden Jahr 2014 gut 84 Mio. Euro aus Landesmitteln drauflegen, weil die Regionalisierungmittel schon jetzt nicht ausreichen. 

Aus diesem Grund hat der Bundesrat einstimmig einen Gesetzentwurf beschlossen, der den Bund zu einer Aufstockung der Regionalisierungsmittel und zu einer höheren jährlichen Steigerungsrate verpflichten soll. Damit würde den Ländern der weitere Ausbau des Schienenpersonennahverkehrs in den kommenden 15 Jahren ermöglicht werden. 

Der Minister für Energie, Infrastruktur und Landesentwicklung von Mecklenburg-Vorpommern, Christian Pegel, stellte fest: „Als kleines und finanziell entsprechend schwach aufgestelltes Bundesland, das es dennoch seit Jahren schafft, keine neuen Schulden aufzunehmen, mussten wir bereits deutliche Einschnitte im Bereich des Schienenpersonennahverkehrs vornehmen. Wir haben das Angebot teilweise ausgedünnt und konnten auch Teilstillegungen von Strecken nicht vermeiden. Damit ist das Ende der Fahnenstange erreicht. Ohne dass der Bund eine ausreichende Mittelausstattung sicherstellt, werden weitere Kürzungen die Folge sein. Damit laufen wir Gefahr, die überörtliche Anbindung ländlicher Regionen zu verlieren. Der Bund will bis 2016 den Ländern die derzeit bereits unzureichende Finanzausstattung auf gleicher Höhe weiterhin gewähren. Das ist kein echtes Angebot. Und vor allen Dingen bietet es keinerlei Perspektive, auf der man ernsthaft einen zukunftsfähigen Öffentlichen Verkehr planen könnte.“

Der EVG-Vorsitzende, Alexander Kirchner, forderte insbesondere für die Beschäftigten Gewissheit, dass die bestehenden Angebote nicht abgespeckt, sondern da, wo entsprechend Nachfrage sei, noch ausgebaut würden. „Der Nahverkehr auf der Schiene ist ein Erfolgsmodell, das keinen Schaden durch den Streit um die Finanzierung nehmen darf“, machte er deutlich. Nur ein attraktiver Nahverkehr trage mit dazu bei, die Klimaziele der Regierung zu erreichen; der Individualverkehr in den Städten ließe sich nur durch eine verstärkte Nachfrage nach Bussen und Bahnen reduzieren. Dabei dürften die Interessen der Beschäftigten nicht auf der Strecke bleiben. „Bei einem Betreiberwechsel müssen die für die Mitarbeiter bislang geltenden Sozialstandards auch beim neuen Betreiber gewährleistet bleiben“, so Kirchner. Die EVG spreche sich für eine deutliche, bedarfsgerechte Erhöhung der Regionalisierungsmittel aus. Ansonsten seien im Nahverkehr zahlreiche Arbeitsplätze in Gefahr.  

Die stellvertretende ver.di-Vorsitzende, Andrea Kocsis, betonte: Täglich sind rund 500.000 Beschäftigte im Einsatz, um Mobilität für die Bürgerinnen und Bürger in hoher Qualität zu bieten. Und das mit großem Erfolg, denn ein Drittel der Bevölkerung nutzt täglich Bus oder Bahn. Trotzdem ist die zukünftige Finanzierung des ÖPNV unsicher. Beschäftigte, Kommunen und rund 11 Mrd. Fahrgäste pro Jahr erwarten eine dauerhafte und auskömmliche Finanzierung des gesamten ÖPNV. Die Verkehrsfinanzierung darf deshalb keine Verhandlungsmasse im Rahmen der „Bund-Länder-Finanzneuordnung“ sein. Sie muss eigenständig verhandelt werden, und es muss eine nach 2019 langfristige und zweckgebundene Anschlussregelung an die GVFG Mittel in Höhe von mindestens 2 Mrd. Euro jährlich geben. Die Beschäftigten benötigen jetzt klare und dauerhafte Perspektiven für den ÖPNV. Das haben sie auch in einer Resolution klar zum Ausdruck gebracht, die vergangenen Freitag auf unserer Betriebskonferenz von 300 Betriebsräten aus bundesweit 138 Unternehmen aus dem Nahverkehr beschlossen wurde. 

Die Vorstandsvorsitzende der Berliner Verkehrsbetriebe und VDV-Präsidiumsmitglied, Dr. Sigrid Evelyn Nikutta, machte deutlich, dass die Verkehrsunternehmen bereits bundesweit zahlreiche Ausbau- und Sanierungsprojekte auf Eis legen müssen, weil die künftige Finanzierung völlig ungeklärt ist: „Die deutschen Nahverkehrsunternehmen befördern jährlich rund zehn Milliarden Fahrgäste, Tendenz stark steigend. Das sind über fünfzigmal so viele wie im deutschen Flugverkehr. International genießt der deutsche Nahverkehr immer noch einen sehr guten Ruf. Doch wir setzen die bestehende Substanz aufs Spiel. Der Sanierungsrückstau beträgt rund vier Milliarden Euro, jährlich kommen fast 500 Millionen Euro hinzu. Wir müssen jetzt mehr in den umweltfreundlichen ÖPNV investieren, um die Energiewende zu schaffen und die Mobilität aller Menschen zu sichern. Der ÖPNV verursacht nur die Hälfte der CO2-Emmissionen im Vergleich zum Pkw. Für einen zukunftsfähigen Öffentlichen Personennahverkehr brauchen wir langfristige Anschlussregelungen für die Regionalisierungsmittel, die Entflechtungsmittel und das GVFG.“


Hintergrund

Die Regionalisierungsmittel sind eine unverzichtbare Säule zur Finanzierung des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV). Die horizontale Verteilung der Regionalisierungsmittel auf die Bundesländer basiert auf den Zugkilometern im SPNV im Fahrplanjahr 1993/94 und ist seit Inkrafttreten des Regionalisierungsgesetzes im Jahr 1996 nahezu unverändert.

Der am 28.11. 2014 einstimmig beschlossene Gesetzentwurf des Bundesrates sieht eine Erhöhung der Regionalisierungsmittel von derzeit 7,3 Mrd. Euro auf rund 8,5 Mrd. Euro pro Jahr vor. Dies würde im Nachhinein die bisherigen Preissteigerungen abgelten. Zudem müssten künftige Kostensteigerungen durch eine Dynamisierungsrate von bis zu 2 Prozent abgedeckt und darüber hinaus gehende Preissteigerungen bei der Infrastruktur durch den Bund übernommen werden. Die Regelung ist auf 15 Jahre angelegt. 

Demgegenüber hat der Bund einen Gesetzentwurf ins Verfahren gebracht, der lediglich für 2015 noch einmal eine Erhöhung von 1,5 Prozent vorsieht. Wie danach der Schienenpersonennahverkehr durch die Länder finanziert werden soll, bleibt jedoch unklar. Mit dem Gegenentwurf provoziert der Bund ein Vermittlungsverfahren. Denn das Gesetz ist zustimmungspflichtig. 

Neben den Regionalisierungsmitteln ist auch die Zukunft weiterer wesentlicher ÖPNV-Finanzierungssäulen gefährdet: Die Entflechtungsmittel und die Mittel aus dem Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz, die seit Jahrzehnten erfolgreich für die Verbesserung der kommunalen Verkehrsinfrastruktur eingesetzt werden, enden im Jahr 2019, dringend notwendige Anschlussregelungen sind vielfach versprochen, bisher aber nicht in Sicht.

Schon heute sind diese Mittel durch bereits angemeldete Projekte der Verkehrsunternehmen um das 20-fache überzeichnet. Die kommunalen Verkehrsunternehmen haben deshalb bereits zahlreiche aktuelle Projekte zum Aus- und Neubau sowie zur Erneuerung ihrer Haltestellen, Fahrzeuge und technischen Anlagen auf Eis gelegt. 

Anhang zur Pressemitteilung


 

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