Das Verkehrsministerium hat in einer Szenarien-Untersuchung analysiert, wie sich tödliche Radverkehrsunfälle um bis zu 60 Prozent verringern lassen. Der systematische Ausbau von Radwegen an Landes- und Bundesstraßen trägt einen wesentlichen Teil dazu bei.
Hier finden Sie die Studie der Szenarien-Untersuchung Radverkehrssicherheit (PDF, barrierefrei).
Verkehrsminister Winfried Hermann betonte auf der Landespressekonferenz: „Die Sicherheit im Straßenverkehr steht für mich an oberster Stelle. Der steigende Radverkehrsanteil im Land muss nicht mehr Unfälle bedeuten. Alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer im Straßenverkehr sollen sich sicher fühlen, wenn sie unterwegs sind. Das gilt sowohl für Erwachsene als auch für Kinder. Dafür haben wir fünf Maßnahmen identifiziert, mit denen wir schwere Unfälle vermeiden können. Der systematische Ausbau von Radwegen ist unerlässlich auf dem Weg zur Vision Zero. Es gibt aber auch schnellere Maßnahmen mit hoher Wirksamkeit.“
Vision Zero steht im Koalitionsvertrag
Im Koalitionsvertrag bekennt sich die Landesregierung zur Vision Zero. Bis 2030 soll die Zahl der Verkehrstoten um 60 Prozent verringert werden. In der RadSTRATEGIE des Landes ist das Ziel verankert, die Zahl verunglückter Radfahrender um 40 Prozent bis 2030 zu reduzieren. Das Verkehrsministerium Baden-Württemberg hat in einer Szenarien-Untersuchung ermittelt, wie die Verkehrssicherheit auf den Straßen maßgeblich erhöht werden kann. Denn: Bis 2030 soll jeder zweite Weg selbstaktiv zu Fuß oder mit dem Rad zurückgelegt werden. Bis 2030 wird eine Steigerung des Radverkehrs auf bis zu 20 Prozent angestrebt.
Aus den vorläufigen Zahlen der Verkehrsunfall-Statistik 2023 geht hervor, dass für das Jahr 2023 weniger tödliche Unfälle im Radverkehr absehbar sind. Nach Abschluss der statistischen Erfassung durch die Polizei werden die endgültigen Zahlen für das Gesamtjahr 2023 am 27. März 2024 durch Innenminister Thomas Strobl veröffentlicht.
Fünf Maßnahmen für mehr Sicherheit im Radverkehr
Im Rahmen einer Szenarien-Untersuchungen hat das Verkehrsministerium wirksame Maßnahmen ermittelt, die die Sicherheit im Radverkehr erhöhen:
Die Empfehlungen für Radverkehrsanlagen (ERA) sind ein technisches Regelwerk für die Planung, den Entwurf und den Betrieb von Radwegen. Die Szenarien-Analyse betont die Bedeutung der Standards. Durchgängige, regelkonforme Radverkehrsanlagen mit einer entsprechenden (Linien-) Führung, Breite und ausreichend Sicherheitsabständen senken die Wahrscheinlichkeit tödlicher Unfälle um bis zu 23 Prozent. Auch getrennte Signalphasen für den Auto- und den Radverkehr gehören dazu.
Gute Sichtbeziehungen an Kreuzungen und Einmündungen verringern bei einer flächendeckenden Umsetzung bis 2030 die Wahrscheinlichkeit für einen tödlichen Unfall um bis zu sechs Prozent. Einmündungen und Abbiegungen sollten gut einsehbar sein. Kommunen müssen darauf achten, parkende Autos im Bereich der notwendigen Sichtfelder zu verhindern und Falschparkende zu sanktionieren.
Wenn bis 2030 an allen Landstraßen die Radinfrastruktur nach dem aktuellen Stand der Technik (= ERA-Standard) umgesetzt wird, lassen sich sieben Prozent aller tödlichen Radunfälle vermeiden. Im besten Fall verlaufen die Radwege dabei getrennt vom Kfz-Verkehr. Die Einführung von Tempo 70 an Knotenpunkten und Überquerungsstraßen erweist sich als besonders wirkungsvoll.
Einen hohen Beitrag zur Reduzierung von Unfällen können Tempolimits von 80 Kilometer/Stunde auf Landstraßen erzielen. Es handelt sich dabei um eine Maßnahme, die sich grundsätzlich schnell und kostengünstig umsetzen ließe. Durch Tempo 80 außerhalb von Ortschaften können jährlich etwa 25 Prozent der Getöteten im Radverkehr außerorts verhindert werden. Zur Erreichung der Vision Zero setzt sich das Verkehrsministerium auf Bundesebene für Tempo 80 auf besonders schmalen, kurvigen oder schlecht ausgebauten Landstraßen ein.
Zielgerichtete Kommunikationsmaßnahmen und Trainings können die Bürgerinnen und Bürger auf risikoreiches Verhalten im Straßenverkehr aufmerksam machen. Durch eine erhöhte Wahrnehmung von Gefahren lassen sich elf Prozent aller tödlichen Radverkehrsunfälle vermeiden. Besonders wichtig bleibt die gegenseitige Rücksichtnahme.
Bei einer Umsetzung aller fünf Szenarien würde die Rate tödlicher Unfälle rein rechnerisch um bis zu 60 Prozent sinken. Auch die Zahl der Schwerverletzten ließe sich mit allen Maßnahmen um 40 Prozent reduzieren. Das bedeutet rein rechnerisch: Im Jahr 2030 ließen sich durch die fünf Maßnahmen über 40 Menschenleben retten. Rund 1.000 schwere Verletzungen und fast 4.000 leichte Verletzungen könnten vermieden werden. Dafür sind erhebliche Investitionen in einen verkehrssicheren Umbau der Straßenräume notwendig. Die derzeitigen Baumaßnahmen im Bereich der Radverkehrsinfrastruktur in Baden-Württemberg erreichen finanziell schon die benötigte Größenordnung und werden kontinuierlich vom Land weiterverfolgt.
Radwege an Landes- und Bundesstraßen werden systematisch ausgebaut
2023 wurden 28 Radwegeprojekte an Landesstraßen mit einem Investitionsvolumen von fast 19 Millionen Euro fertiggestellt. Genauso erfolgreich stellt sich der Radwegeausbau an Bundesstraßen dar: 17 Projekte wurden erfolgreich realisiert. Weitere 29 Vorhaben an Landes- und Bundesstraßen befinden sich im Bau. 2024 sollen zusätzlich 60 Vorhaben an Landes- und Bundesstraßen begonnen werden.
Darüber hinaus fördert das Land die kommunale Infrastruktur für den Rad- und Fußverkehr. Das Landesprogramm zur Förderung von kommunaler Radverkehrsinfrastruktur für die Jahre 2024 bis 2028 ist das bisher größte Investitionsprogramm für Rad- und Fußwege in Baden-Württemberg. Es umfasst über 900 Maßnahmen und löst mit einer Landesförderung von circa 375 Millionen Euro Investitionen mit einem Wert von circa 955 Millionen Euro aus.
Von den Maßnahmen im Programm dienen 360 Projekte vorrangig der Verkehrssicherheit. 140 Maßnahmen stärken den Ausbau des RadNETZ BW. Über 600 Kilometer Radwege werden mit dem Programm neu gebaut und über 28.000 neue Fahrradabstellanlagen machen das Radfahren noch attraktiver.
228 neue Rad- und Fußverkehrsmaßnahmen
Nachdem in den vergangenen Jahren viele Planungen gestartet sind, fangen Land und Kommunen nun auch massiv an zu bauen. Immer mehr Radwege werden fertiggestellt. Im Rad- und Fußverkehrsprogramm des Landesgemeindeverkehrsfinanzierungsgesetzes (LGVFG) sind seit der letzten Programmaufstellung vor einem Jahr 228 Maßnahmen neu in das Programm aufgenommen worden. Die Gesamtzuwendung dieser Maßnahmen hat ein Volumen von rund 150 Millionen Euro. Davon entfallen 67 Millionen Euro auf Landesmittel und 80 Millionen Euro auf Bundesmittel.
Verkehrsminister Hermann sagte: „Das Ergebnis des LGVFG-Förderprogramms kann sich sehen lassen: Es wurden noch nie so viele Radwege in Baden-Württemberg gebaut. Die Rekordinvestitionen in den systematischen Ausbau von Radwegen sind gleichzeitig auch Investitionen in die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger. Das zeigt auch unsere Szenarien-Untersuchung. In zahlreichen Städten und Gemeinden schaffen wir attraktive Angebote für die Nutzung klimafreundlicher Mobilität.“
Mit dem Förderprogramm Rad- und Fußverkehr nach dem Landesgemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz (LGVFG) unterstützt das Land die Landkreise, Städte und Gemeinden beim Um- und Ausbau ihrer Rad- und Fußverkehrsinfrastruktur. Ziel ist es, die Netzlücken in den Radnetzen zu schließen und die Verkehrssicherheit zu erhöhen. Viele Vorhaben mit einer positiven Klimawirkung können mit bis zu 75 Prozent gefördert werden. Zusammen mit den Bundesmitteln aus dem Sonderprogramm Stadt und Land können bis zu 90 Prozent der zuwendungsfähigen Investitionskosten übernommen werden. Gefördert werden beispielsweise Rad- und Fußwege, Fahrradstraßen, Fahrradabstellanlagen oder Sanierungen von Radwegen.