Splett: „Wir müssen unser Mobilitätsverhalten nachhaltiger gestalten“
„Dass die Europäischen Kommission wegen der Überschreitung der Luftqualitätsgrenzwerte für Stickstoffdioxid (NO2) aktuell die Vorstufe zu einem Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet hat, hat uns nicht überrascht“, sagte Gisela Splett MdL, Staatssekretärin im Ministerim für Verkehr und Infrastruktur, am 08.10.2014 in Stuttgart. „Die Grenzwertüberschreitungen beim Luftschadstoff Stickstoffdioxid (NO2) an vielen Stellen in Baden-Württemberg sind kein Geheimnis. Sie sind vielmehr einer der Gründe für unsere Strategie der Nachhaltigen Mobilität“, so Splett. Das EU-Pilot-Verfahren belege erneut die Notwendigkeit der eingeleiteten Luftreinhaltemaßnahmen.
An der konsequenten Umsetzung der in den Luftreinhalteplänen enthaltenen Maßnahmen, beispielsweise der Umweltzonen, führe deshalb kein Weg vorbei. „Das allein reicht jedoch nicht aus, um die Grenzwerte einzuhalten“, so die Staatssekretärin. Wichtig sei, dass der Anteil der emissionsarmen Fahrzeuge ansteige.
Die NO2-Belastung wird überwiegend durch Emissionen des Straßenverkehrs bestimmt, insbesondere durch Stickstoffoxidemissionen (NOx-Emissionen) von Diesel-Fahrzeugen. Die NO2-Grenzwertüberschreitungen in den Ballungsgebieten sind dabei im Wesentlichen darauf zurückzuführen, dass die NOx-Emissionen von Fahrzeugen im realen Fahrbetrieb deutlich höher lagen, als die kontinuierliche Verschärfung der Abgasgrenzwerte in den Euro-Normen hatten erwarten lassen. Zusätzlich hat der hohe Anteil von Dieselfahrzeugen bei den Neuzulassungen beigetragen.
Von dem Pilotverfahren sind insgesamt 10 Bundesländer betroffen. In Baden-Württemberg geht es um die Gebiete Ballungsraum Freiburg, Ballungsraum Mannheim/Heidelberg, Ballungsraum Stuttgart, die Regierungsbezirke Karlsruhe und Stuttgart (ohne Ballungsräume) sowie den Regierungsbezirk Tübingen. Der Regierungsbezirk Freiburg (ohne Ballungsraum Freiburg) ist nur unter der Voraussetzung nicht betroffen, dass der Luftreinhalteplan für Schramberg wie ursprünglich vorgesehen in Kraft tritt. Dies ergibt sich aus der Mitteilung der Europäischen Kommission vom Februar 2013. Nun erwartet die europäische Kommission bis Anfang Dezember 2014 unter anderem Ausführungen dazu, wann die vollständige Einhaltung des geltenden Stunden- bzw. Jahresgrenzwerts für NO2 in diesen Gebieten erwartet wird und welche zusätzlichen Maßnahmen ergriffen bzw. geplant sind, um zu gewährleisten, dass der Zeitraum der Nichteinhaltung so kurz wie möglich gehalten werden kann.
„Die Einhaltung des NO2-Jahresmittelgrenzwertes wird daher auch in den kommenden Jahren eine zentrale Herausforderung sein“, so Splett. Dabei reiche es nicht aus, nur an Stellen mit hoher Verkehrsbelastung Maßnahmen zu ergreifen, z. B. durch Lkw-Durchfahrverbote. „Vielmehr muss die Hintergrundbelastung sinken, indem wir unser Mobilitätsverhalten nachhaltiger gestalten, also umsteigen auf weniger emissionsstarke Verkehrsmittel wie Busse, Bahnen und das Fahrrad oder kurze Strecken zu Fuß bewältigen.“ Der verbleibende KfZ-Verkehr müsse umweltverträglicher abgewickelt werden, beispielsweise elektrisch, mit Hybrid-Fahrzeuge oder Euro 6-Diesel.
Hintergrundinformationen:
Die Luftqualitätsrichtlinie (Richtlinie 2008/50/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Mai 2008 über Luftqualität und saubere Luft in Europa) sieht aus Gründen des Gesundheitsschutzes für Stickstoffdioxid (NO2) Immissionsgrenzwerte für die Außenluft vor (Jahresmittelgrenzwert für NO2: 40 µg/m³; Stundenmittelgrenzwert für NO2: 200 µg/m³, bei 18 zugelassenen Überschreitungen im Kalenderjahr). Diese Immissionsgrenzwerte gelten seit dem 1. Januar 2010.
Aktuelle Stickstoffdioxid-Situation in Baden-Württemberg
Die Stickstoffdioxid-Konzentrationen sind 2013 im Vergleich zu 2012 vor allem an den verkehrsnahen Spotmessstellen und Verkehrsmessstationen zurückgegangen. Der Rückgang der Stickstoffdioxid-Konzentrationen an den verkehrsnahen Messstationen, die sich fast ausschließlich in Umweltzonen befinden, kann auf verschiedene verkehrliche Maßnahmen (z. B. besserer Verkehrsfluss und Tempolimit) zurückgeführt werden.
Im Luftmessnetz Baden-Württemberg wurde 2013 an 27 Messstationen im städtischen Hintergrund, an 8 Verkehrsmessstationen und an 2 Messstationen im ländlichen Hintergrund Stickstoffdioxid (NO2) gemessen. An den Stationen im städtischen und ländlichen Hintergrund wurde der Immissionsgrenzwert als Mittelwert über das Kalenderjahr von 40 Mikrogramm pro Kubikmeter (μg/m³) eingehalten, nicht jedoch an den 8 Verkehrsmessstationen. Der Kurzzeit-Immissionsgrenzwert von 200 μg/m³ (1-Stundenmittelwert) konnte 2013 im Luftmessnetz Baden-Württemberg an allen Messstationen eingehalten werden.
An den zusätzlichen Spotmessstellen (Messstellen mit vermutlich höchsten Belastungen) wird NO2 nicht nur mit kontinuierlich anzeigenden Messgeräten gemessen, sondern auch mit Passivsammlern. Mit den Passivsammlern können nur Jahresmittelwerte ermittelt werden. Der Immissionsgrenzwert von 40 μg/m³ (Jahresmittelwert) wurde 2013 an den Spotmessstellen Karlsruhe Kriegsstraße, Urbach Hauptstraße und Murg Hauptstraße eingehalten, an den anderen 23 Spotmessstellen dagegen überschritten. An den 6 Spotmessstellen, an denen mit kontinuierlich anzeigenden Messgeräten gemessen wird, wurde die zulässige Anzahl von 18 Überschreitungen im Kalenderjahr für den Kurzzeit-Immissionsgrenzwert von 200 μg/m³ (1-Stundenmittelwert) lediglich an zwei Spotmessstellen nicht eingehalten (Stuttgart Am Neckartor und Stuttgart Hohenheimer Straße).
Weiterführende Informationen: LUBW – Kenngrößen der Luftqualität – Jahresdaten 2013
Luftreinhalteplanung – wirksame Maßnahmen
Die Einhaltung der vorgeschriebenen EU-weiten Luftqualitätsgrenzwerte, auch der NO2-Grenzwerte, obliegt den Ländern und Städten vor Ort. Länder und Gemeinden haben im Rahmen von umfassenden Luftreinhalteplänen erhebliche Anstrengungen zur Verbesserung der Luftqualität unternommen und eine deutliche Reduzierung der Schadstoffemissionen erreicht. So haben die Länder Umweltzonen eingerichtet (in Baden-Württemberg derzeit 26) und Lkw-Durchfahrtsverbote verhängt. Dass die Anstrengungen Deutschlands anerkannt werden, zeigt sich auch darin, dass die Europäische Kommission gegen Deutschland aktuell lediglich ein Pilotverfahren, also eine Vorstufe eines Vertragsverletzungsverfahrens, eröffnet hat. Gegen Großbritannien hatte sie im Februar des Jahres ein Vertragsverletzungsverfahren eröffnet.
Kraftfahrzeugemissionen
Um dem Problem der von den Typprüfverfahren abweichenden realen Emissionen zu begegnen, hat die Europäische Kommission eine Arbeitsgruppe zu „Real Driving Emissions“ (RDE) eingesetzt. Ziel der Europäischen Kommission und der Mitgliedstaaten ist die Erarbeitung eines zusätzlichen Messverfahrens für Diesel-Fahrzeuge der Abgasstufe Euro 6 zur Ermittlung der „realen Emissionen“, insbesondere von Stickstoffoxiden (Summe aus Stickstoffmonoxid und Stickstoffdioxid), das die bisherigen Abgasmessungen im Labor ergänzen soll.