Unter automatisierter und vernetzter Mobilität werden technologische Treiber und Trends verstanden, die derzeit die Mobilität und Mobilitätswirtschaft tiefgreifend verändern. Um auf diese Entwicklung zu reagieren, wurde mit allen betroffenen Landesministerien und der Landesagentur e-mobil BW eine Strategie für das automatisierte und vernetzte Fahren entwickelt. Diese Strategie fokussiert sich vor allem auf den Straßenverkehr und bildet die Grundlage für die künftigen Aktivitäten bis 2030.
Automatisierung bedeutet die schrittweise Übertragung einzelner Fahraufgaben vom Menschen auf ein Fahrzeug, um den Fahrer in bestimmten Fahrsituationen zu unterstützten. Die Automatisierung gliedert sich in fünf Stufen vom rein manuellen Fahren in Stufe 0 bis hin zum vollständigen autonomen Fahren in Stufe 5. Vernetzung bedeutet, dass sich Fahrzeuge untereinander und mit ihrer Infrastruktur vernetzen, um die Mobilität unter anderem sicherer, umweltfreundlicher und effizienter zu machen. Beiden Trends liegt die Digitalisierung zugrunde, die insgesamt große Optimierungspotentiale für die Verkehrssysteme, durch beispielsweise eine erhöhte Sicherheit im Straßenverkehr, bietet. Außerdem ermöglicht sie neue Mobilitätsangebote und Geschäftsmodelle wie zum Beispiel Ridepooling.
Im Rahmen der Strategie wurden zwei Oberziele für die automatisierte und vernetzte Mobilität formuliert:
- Mobilität von Menschen und Gütern verbessern: Die Landesregierung Baden-Württemberg denkt Mobilität neu und will dafür die Potenziale des automatisierten und vernetzten Fahrens (AVF) stärker nutzen. Damit möchte die Landesregierung insbesondere den individuellen Nutzen erhöhen sowie Verkehrssicherheit, Umweltfreundlichkeit, Zuverlässigkeit, Leistungsfähigkeit und die Erreichbarkeit der Räume steigern.
- Forschungs-, Innovations-, Wertschöpfungs- und Beschäftigungspotenziale in Baden-Württemberg stärken: Die Landesregierung Baden-Württemberg will geeignete Rahmenbedingungen am Standort schaffen, um die Akteure in Baden-Württemberg dabei zu unterstützen, in Forschung, Entwicklung, Produktion und Anwendung des automatisierten und vernetzten Fahrens eine weltweit führende Rolle einzunehmen.
Um die Oberziele zu erreichen, wurden sechs Handlungsfelder als Unterziele im Bereich der automatisierten und vernetzten Mobilität festgelegt. Diese umfassen Recht und Daten, Verkehr und Klima, Technik und Forschung, Wirtschaft und Beschäftigung, Ethik und Gesellschaft sowie Qualifizierung. Diese Unterziele wurden wiederum mit konkreten Maßnahmen unterlegt. Beispiele für Maßnahmen der Strategie zur automatisierten und vernetzen Mobilität sind das Schaffen von Experimentierfeldern, zum Beispiel für automatisierte Fahrzeuge im ÖPNV, den Dialog mit den Bürgerinnen und Bürgern zu führen und die Modernisierung des Typengenehmigungsverfahrens und des Straßenverkehrsgesetzes politisch zu forcieren um grenzüberschreitende Mobilität sicherzustellen.
Erarbeitet wurde die Strategie zur automatisierten und vernetzten Mobilität in einer interministeriellen Arbeitsgruppe des Ministeriums für Verkehr (Federführung), des Staatsministeriums, des Ministeriums für Inneres, Digitalisierung und Migration, des Ministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kunst sowie des Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Wohnungsbau, unter Koordination der e-mobil BW. Im Mai 2020 wurden die Kernbestandteile der Strategie durch Beteiligte des Strategiedialogs Automobilwirtschaft Baden-Württemberg (SDA) bewertet. Die Strategie und die geplanten Maßnahmen zur automatisierten und vernetzen Mobilität sollen aufgrund der großen Dynamik des Themenfeldes mindestens alle drei Jahre evaluiert und weiterentwickelt werden.
Das ausführliche Strategiepapier finden Sie hier (PDF) sowie den Sachstandsbericht von September 2020 bis März 2022 hier (PDF).
Verkehrliche Auswirkungen
Ein weiteres Kernstück des automatisierten und autonomen Fahrens sind die verkehrlichen Auswirkungen. Diese muss man kennen, um Entscheidungen über Investitionen oder anzupassenden Regeln zu Gunsten des Verkehrs im Lande treffen zu können. Die verkehrlichen Auswirkungen umfassen verkehrstechnische Kenngrößen, wie:
- Kapazität von Straßen- oder Schienenwege, die Reisezeit, Staus, etc.
- Direkte Wirkungsbereiche wie die Verkehrssicherheit, Abgasemissionen, Lärmemissionen etc.
- Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen für zweckmäßige Infrastruktureinrichtungen
- Informationstechnologien
- Neue Verkehrskonzepte, wie z.B. einen Tür zu Tür Betrieb autonomer Kleinbusse als Ergänzung des ÖPNVs
Wichtig für das Land ist auch, welche Verkehrsverhaltensregeln (z.B. geringeren Abstand zwischen den Autos auf Autobahnen zulassen) oder sonstige Vorschriften fortzuschreiben wären, wie hoch ein Investitionsbedarf für die nächsten Jahre ist und wie die Stadt- und Verkehrsplanung auch im ländlichen Raum aussehen sollte. Einige Untersuchungsergebnisse dazu gibt es bereits (s.u.).
Automatisiertes und autonomes Fahren ist in aller Munde. Immense Investitionen werden insbesondere auf Seiten der Fahrzeughersteller, -zulieferer und Softwareindustrie getätigt. Die Techniken sind so evolutionär, dass sie Auswirkungen auf das Verkehrsgeschehen in seiner Gesamtheit haben werden – sei es beim Pkw, Bus oder LKW. Auch im Schienenbereich werden Anwendungen erforscht.
Die Fahrzeugtechnik ist inzwischen sehr weit fortgeschritten. Seit einiger Zeit gibt es bereits PKWs mit teilautomatisierten Funktionen (Level 2), wie z.B. automatisches Fernlicht sowie hochautomatisierte Funktionen (Level 3), wie z.B. das selbstständige Einparken. Vollautomatisierte Funktionen (Level 4, z.B. selbstständiges Fahren auf der Autobahn mit Übernahmebereitschaft durch den Fahrzeugführer) sind von ersten Herstellern bereits im Markt. Das Straßenverkehrsgesetz wurde bereits 2017 entsprechend geändert. Es ist nicht auszuschließen, dass man erste autonome PKW (Level 5), die also ohne Fahrzeugführer fahren, im Laufe der 20er Jahre kaufen kann.
Autonomes Fahren im Verkehrswesen soll sich Schätzungen zufolge bis in ca. 15 bis 25 Jahren überwiegend durchgesetzt haben. Damit kann ein neues großes Aufgabenfeld im Verkehrswesen entstehen. Doch was bedeutet das konkret?
Das Ministerium für Verkehr möchte die Ursachen und Wirkungen durch die Einführung des automatisierten und des autonomen Fahrens auf den Verkehr auf der Straße und Schiene kennen, wie z.B.
- auf die Kapazität von Straßen, das Verkehrsaufkommen, die Reisezeit und Staus
- die Verkehrssicherheit, die Umweltwirkungen wie Abgasemissionen, Lärm und Flächeninanspruchnahme durch Verkehrswege,
- den künftigen Finanzbedarf für öffentliche Aufgaben und die Förderung,
- Regeln für das Verkehrsverhalten und die Fahrzeugzulassung,
- auf die Verkehrssystemgestaltung insgesamt, wie z.B. die Gestaltung des ÖPNV durch ein Angebot des door2door-Ride-on-demand, z.B. in Form eines fahrerlosen Kleinbusses) oder des Individualverkehrs (Car4u-order wie z.B. rentalcar oder carsharing)
- auf die Raumordnung und Stadtplanung auch im ländlichen Raum.
Eine weitere, wichtige Komponente für das Land ist die gesellschaftliche Akzeptanz. Diese wird in vielen Projekten als Begleiterscheinung mituntersucht. Einzig, wenn potentielle Nutzer*innen von autonomen Fahrangeboten diese auch real erleben können, sinkt die Hemmschwelle vor der neuen Technologie.