Ist es sinnvoll, die Panoramabahn dauerhaft zu erhalten? Hierzu hat das Verkehrsministerium beim Verkehrswissenschaftlichen Institut Stuttgart eine Untersuchung der Potenziale in Auftrag gegeben. Die Antwort des VWI lautet eindeutig: Ja, sehr!
Verkehrsminister Winfried Hermann sagte dazu am Mittwoch in Stuttgart: „Die Studie des VWI lässt keine Zweifel: Die Panoramabahn bietet mit einer leistungsstarken Anbindung auch langfristige Vorteile und Möglichkeiten als Ergänzung zum neuen Eisenbahnknoten Stuttgart. Sie dauerhaft zu erhalten, ist überaus sinnvoll. Im Sinne der Verkehrswende, von Angebotsausweitungen und einer notwendigen Redundanz wäre es ein Riesenfehler, die Panoramabahn nicht weiter zu nutzen. Sie muss auch leistungsfähig angebunden werden.“
Univ.-Prof. Dr.-Ing. Ullrich Martin, Direktor des Instituts für Eisenbahn- und Verkehrswesen der Universität Stuttgart, machte deutlich: „Entscheidungen zur Erhaltung der Panoramabahn als durchgängig zweigleisig nutzbare Tangentiallinie müssen jetzt zeitnah auf der Grundlage eines für alle Beteiligten tragfähigen Kompromisses gefunden werden. Nur so können die zu erwartenden Vorteile vollumfänglich genutzt und verzögerungsbedingte Kostenerhöhungen vermieden werden.“
Minister Hermann hob hervor: „Das Positionspapier von Prof. Martin verdeutlicht, dass die Panoramabahn auch im Störungsfall bei Sperrung der S-Bahn-Stammstrecke als Ausweichstrecke wertvoll ist und grundsätzlich die Resilienz im Netz erhöht.“
Untersuchung der Panoramabahn notwendig
Nach der Konzeption des Projekts Stuttgart 21 wird die Gäubahn über den Flughafen geführt und der innerstädtische Streckenabschnitt der Gäubahn in Stuttgart, die sogenannte Panoramabahn wird funktionslos. Die Pläne von Stuttgart 21 sehen vor, dass die Gleise der Gäubahn im Stuttgarter Norden unterbrochen werden, damit die S-Bahn-Gleise aus Richtung Feuerbach an die neue Haltestelle Mittnachtstraße angebunden werden können. Die Panoramabahn, soll anschließend nicht wieder angebunden werden. Doch bereits Heiner Geißler forderte in seinem Schlichterspruch 2010, den auch der damalige Bahnchef begrüßte, den Erhalt der Panoramabahn und eine „leistungsfähige Anbindung“, zusätzlich zur Führung der Gäubahn über den Flughafen. Zusammen mit dem renommierten Schweizer Verkehrsberatungsunternehmen SMA schlug er auch die Anbindung an den neuen Tiefbahnhof (Stichwort: Kombibahnhof) vor. „Diese Idee nimmt die sogenannte unterirdische Ergänzungsstation auf“, erläuterte Minister Hermann.
- Erschließungswirkungen: Wie können zusätzliche Fahrgäste entlang der Panoramabahn für den SPNV gewonnen werden? Dafür wurden verschiedene Haltemuster mit zwei bis neun Haltestellen zwischen Stuttgart-Vaihingen und Stuttgart-Feuerbach bzw. Stuttgart-Bad Cannstatt miteinander verglichen.
- Durchbindungswirkungen: In welcher Form können Ziele innerhalb der Region aber auch darüber hinaus über die Panoramabahn neu miteinander verbunden werden? Dafür wurden verschiedene Linien südlich von Stuttgart-Vaihingen (z.B. nach Horb oder Tübingen) und nördlich von Stuttgart-Feuerbach bzw. Stuttgart-Bad Cannstatt (z.B. nach Lauffen am Neckar oder Winnenden) untersucht.
Ergebnis: Potenzial für mehr als 10.000 Fahrgäste
- Der Betrieb auf der Panoramabahn zeigt eine sehr hohe Nachfrage. Alle untersuchten Varianten haben gute bis sehr gute verkehrliche Wirkungen.
- Die verschiedenen Durchbindungen zeigen also sehr gute Effekte. Noch entscheidender ist die Erschließung der dicht besiedelten Stuttgarter Gebiete entlang der Panoramabahn durch zusätzliche Haltestellen.
- Mit einem 30-Minuten-Takt können ca. 10.000 Fahrgäste am Tag auf der Panoramabahn erwartet werden, bei einem 15-Minuten-Takt sogar ca. 20.000 Fahrgäste pro Tag. Dies ist vergleichbar mit anderen zweigleisigen Hauptstrecken in der Region Stuttgart und liegt sehr deutlich über allen Anforderungen bei Reaktivierungsstrecken.
- Die Panoramabahn entlastet S-Bahn-Stammstrecke leicht. Der Großteil der verkehrlichen Wirkungen ergibt sich dadurch, dass viele neue Fahrgäste für den ÖPNV gewonnen werden.
- Die Panoramabahn ist damit als Ergänzung und nicht als Alternative für andere Infrastrukturvorhaben im Knoten Stuttgart zu betrachten.
- Die hohe Verkehrsnachfrage lässt erwarten, dass in einer Standardisierten Bewertung genügend Nutzen nachgewiesen werden kann, um die Kosten für anfallende Infrastrukturinvestitionen auszugleichen.
Kosten der Streckensanierung
Damit die langfristigen verkehrlichen Potenziale der Panoramabahn erreicht werden können, muss die Panoramabahn kurzfristig bis zum Nordhalt erhalten werden. Welche Sanierungskosten in den kommenden Jahren anfallen, hat das Land deshalb bei der DB Netz AG als Betreiberin der Strecke ermitteln lassen:
Kurzfristig bis 2032 fallen rund 45 Millionen Euro an, v.a. für eine Erneuerung des Oberbaus. Erst langfristig bis in die 30er und 40er Jahre hinein fallen höhere Kosten an, und zwar vor allem durch eine Sanierung der Tunnel. Die Kosten hierfür werden auf rund 120 Millionen Euro geschätzt.
Eine Sanierung der Panoramabahn kann aus dem Bundes-GVFG gefördert werden (Fördertatbestand „Grunderneuerung“ § 2 Abs. 3 Nr. 2 GVFG). Die Förderung des Bundes erfolgt mit einem Fördersatz von bis zu 50 Prozent der zuwendungsfähigen Baukosten. Die Sanierungskosten für den zukünftigen Betrieb der Panoramabahn sind daher deutlich niedriger als die hier ermittelten Gesamtkosten und verteilen sich auf einen sehr langen Zeitraum. Eine Nutzen-Kosten-Untersuchung bei diesem Fördertatbestand ist nicht notwendig, weshalb eine Anmeldung beim Bund schnell erfolgen kann.
Die laufenden Instandhaltungskosten liegen nach der Untersuchung in der Größenordnung von 1 Million Euro pro Jahr. Bei Bestellung von regelmäßigem Verkehr in dem von der Potenzialuntersuchung bewerteten Umfang können die Trassenerlöse ausreichen, die laufenden Kosten zu decken.