Durch starkes Beschleunigen nach dem Verlassen geschlossener Ortschaften werden Bewohnerinnen und Bewohner häufig durch Motorradlärm belastet. Der Landkreis Reutlingen reagiert in Bad Urach Ortsteil Seeburg mit einem sogenannten Geschwindigkeitstrichter. Künftig erstreckt sich das innerorts geltende Tempo 50 für Motorradfahrerinnen und -fahrer auch auf 300 Meter hinter dem Ortsschild.
Verkehrsstaatssekretärin Elke Zimmer, Elmar Rebmann, Bürgermeister von Bad Urach, und Dr. Claudius Müller, Ordnungsdezernent des Landratsamts Reutlingen, erläuterten anlässlich des anstehenden „Tags gegen Lärm“ (26. April) das entsprechende Tempolimit an der Ortsausfahrt in Seeburg in Richtung Hengen. Das Landratsamt Reutlingen ordnete die Umsetzung mit der nun beginnenden Motorradsaison an, um Bevölkerung und Erholungssuchende vor Motorradlärm zu schützen. Die Beschränkung gilt von Mai an bis Ende August jeweils an Samstagen, Sonntagen und gesetzlichen Feiertagen. Das Ministerium für Verkehr begrüßt die Maßnahme, um die Lärmbelastung zur verringern.
Staatssekretärin Zimmer sagte: „Die Straßenverkehrsordnung sollte stärker auf einen besseren Schutz der Gesundheit ausgerichtet werden und den Fokus nicht nur auf die Leichtigkeit und Flüssigkeit des Straßenverkehrs legen. Dann könnten Anwohnerinnen und Anwohner effektiver vor Lärm des Straßenverkehrs und besonders lauten Fahrzeugen geschützt werden. Der Geschwindigkeitstrichter für Motorräder bei Seeburg ist eine geeignete Lösung und entlastet die von Lärm betroffenen Menschen.“
Elmar Rebmann, Bürgermeister von Bad Urach: „Seit vielen Jahren ist Seeburg sehr durch Motorradlärm belastet. Daher sind wir sehr dankbar, dass wir dort nun einen Geschwindigkeitstrichter bekommen. Durch diese Maßnahme lassen sich die Freude am Motorradfahren in dieser wunderschönen Landschaft und der Lärmschutz der Seeburger Einwohnerschaft zukünftig hoffentlich besser vereinen.“
Trichter schafft Abstand
Durch die vielen Motorräder ist die Belastung für Anwohnerinnen und Anwohner in Seeburg an Wochenenden und Feiertagen bei schönem Wetter enorm. Auf der beliebten Ausflugsstrecke im Fischburgtal verkehren dann teilweise über 500, vereinzelt sogar über 1.000 Motorräder pro Tag. Insbesondere beim Verlassen der Ortschaft entsteht durch die Beschleunigung großer Lärm.
Statt direkt am Ortsausgang beschleunigen zu können, müssen Motorradfahrerinnen und -fahrer durch die Regelung noch weitere 300 Meter Tempo 50 einhalten. Dadurch werden die besonders lauten Beschleunigungsvorgänge von der Wohnbebauung wegverlagert. Beschleunigende Motorräder sind im Vergleich zu Pkw im Schnitt um etwa 20 Dezibel lauter. Sie werden also gefühlt viermal so laut und wegen der besonderen Geräuschcharakteristik oft als wesentlich belästigender wahrgenommen. Eine solche Maßnahme ist bislang nur im Lautertal auf der Schwäbischen Alb (ebenfalls Kreis Reutlingen) im Einsatz.
Hintergrund: Tag gegen Lärm
Der 26. Tag gegen Lärm – International Noise Awareness Day – findet am 26. April unter dem Motto „Mach‘ mal leise“ statt. Auch dort steht der Motorradlärm besonders im Fokus: Für Anwohnerinnen und Anwohner sowie Erholungssuchende stellt die Lärmbelastung durch Motorräder ein erhebliches Problem dar, insbesondere an landschaftlich reizvollen und kurvigen Strecken. Motorradlärm tritt typischerweise verstärkt bei schönem Ausflugswetter an freien Tagen auf; und zwar meist genau zu den Zeiten, in denen die Bürgerinnen und Bürger Ruhe suchen und ihre Freizeit genießen wollen.
Wie Baden-Württemberg sehen auch viele andere Bundesländer ein Defizit bei den Handlungsmöglichkeiten zur effektiven Bekämpfung von Motorradlärm. So hat der Bundesrat sich den Forderungskatalog der Initiative Motorradlärm mit zehn Forderungen zu eigen gemacht und sich im Mai 2020 für eine wirksame Minderung und Kontrolle von Motorradlärm ausgesprochen. Die Beschlüsse des Bundesrats wurden allerdings bis heute nicht umgesetzt. Von Seiten des Bundesverkehrsministeriums heißt es hierzu bislang lediglich, dass die geltenden Regeln ausreichend sind.
Staatssekretärin Zimmer machte deutlich: „Solange sich diese Regeln nicht grundlegend ändern, müssen Land und Kommunen mit den gegebenen Instrumenten nach Lösungen suchen. Der Landkreis Reutlingen zeigt in Seeburg und im Lautertal vorbildlich, wie man den rechtlichen Rahmen ausschöpft, um so die Bevölkerung vor Motorradlärm zu schützen. Das kann gerade am ‚Tag gegen den Lärm‘ als Vorbild dienen.“