Mit dem Mobilitätspass können Kommunen dem Ausbau ihres Öffentlichen Nahverkehrs (ÖPNV) einen kräftigen Finanzierungsschub geben. Das zeigen der Ergebnisbericht (PDF) und Berechnungen aus 21 Modellkommunen (PDF) (Datei wird zeitnah gegen eine barrierefreie Variante ausgetauscht), die in den vergangenen zwei Jahren mit dem Verkehrsministerium Baden-Württemberg und den kommunalen Landesverbänden wesentliche Grundlagen für das geplante Finanzierungsinstrument erarbeitet haben.
Verkehrsminister Winfried Hermann sagte: „Bis 2040 wollen wir in Baden-Württemberg klimaneutral werden. Das erfordert besonders im Verkehr große Anstrengungen und innovative Konzepte für klimafreundliche Mobilität. Der Mobilitätspass ist eine Einladung, den umweltfreundlichen ÖPNV zu nutzen, und hilft zugleich, den Ausbau zu finanzieren. Im Koalitionsvertrag und in der von der Landesregierung beschlossenen ÖPNV-Strategie 2030 ist daher der Mobilitätspass als wichtige Maßnahme zur Stärkung des ÖPNV und zur Entlastung im Straßenverkehr fest verankert. Der Mobilitätspass ist ein Angebot an die Kommunen. Diese entscheiden frei, ob und – wenn ja – wie sie dieses Angebot nutzen wollen.“
Umfragewerte bestätigen die Wichtigkeit klimagerechter Verkehrspolitik
Bei den Bürgerinnen und Bürgern findet klimagerechte Verkehrspolitik, die in ein besseres Bus- und Bahnangebot investiert, eine hohe Unterstützung. Das zeigen die Ergebnisse einer neuen forsa-Umfrage: 75 Prozent der Befragten äußern in der repräsentativen Umfrage die Bereitschaft, den Ausbau des ÖPNV selbst finanziell zu unterstützen, sofern der Betrag für ein Abo des Nahverkehrs anrechenbar wäre. „Genau so sieht es der Mobilitätspass vor, der als Bestandteil des Landesmobilitätsgesetzes möglichst bald in die Anhörung gehen und anschließend dem Landtag zur Beschlussfassung vorgelegt werden soll“, machte Verkehrsminister Hermann deutlich. „Dabei geht es nicht allein um den Klimaschutz und die Entlastung der Straßen: Ein attraktiver ÖPNV erhöht die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben, auch für Menschen, die sich kein Auto leisten oder selbst nicht fahren können.“
Drei Kommunen denken den Mobilitätspass weiter
Die Berechnungen des Verkehrsministeriums für alle 21 Modellkommunen zeigen, dass der Mobilitätspass ein großes Finanzierungspotenzial für den Ausbau des ÖPNV in Kommunen bietet. Auf Basis der Erkenntnisse aus der Modellphase denken die Stadt Freiburg, die Stadt Karlsruhe und der Ortenaukreis den Mobilitätspass seit Oktober 2023 als Vorreiterkommunen weiter. Ziel ist, dass – nach künftiger Verabschiedung der Gesetzesgrundlage – eine möglichst reibungslose Einführung des Mobilitätspasses in interessierten Kommunen erfolgen kann. Eine Vorfestlegung der Vorreiterkommunen auf die Einführung des Mobilitätspasses ist damit nicht verbunden. Wichtig ist ihnen vielmehr, ergebnisoffen an die Zusammenarbeit zum Mobilitätspass zu gehen.
„Der ÖPNV ist heute schon das Rückgrat der urbanen Mobilität in der Fächerstadt“, machte Karlsruhes Oberbürgermeister Dr. Frank Mentrup deutlich. „Allerdings sind auch bei uns in den vergangenen Jahren – gerade mit Blick auf das Erreichen der Klimaschutzziele – die Anforderungen an den ÖPNV nochmal deutlich gestiegen.“ Karlsruhe möchte den hohen ÖPNV-Standard halten und gleichzeitig das bestehende ÖPNV-Angebot innerhalb der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen weiter optimieren. Stichworte sind hier die Modernisierung und Instandhaltung der ÖPNV-Infrastruktur. Das bedeutet konkret: Fahrplan- und Taktverdichtungen, zusätzliche Bahnen, Neubeschaffung von E-Fahrzeugen für die Antriebswende bei der Busflotte, Kapazitätserweiterung bei Betriebshöfen und Bahnmeistereien, digitale Transformationsprozesse sowie der Ausbau und die Modernisierung der ÖPNV-Infrastruktur, die Einnahmen aus dem Mobilitätspass könnten ein wichtiges zusätzliches Finanzierungsinstrument für den ÖPNV darstellen und ihn weiter stärken.
„Der Mobilitätspass kann vor dem Hintergrund der angespannten Haushaltslage bei Bund, Land und Kommunen ein wichtiger, zusätzlicher Finanzierungsbaustein sein. Er darf aber auch nicht der einzige bleiben. Um die klimaneutrale Verkehrswende voranzutreiben und den ÖPNV nachhaltig zu stärken, bedarf es einer zusätzlichen Investitionsoffensive von Bund und Land“, so Karlsruhes Oberbürgermeister Dr. Frank Mentrup abschließend. Bei einer Beitragshöhe von monatlich 10 Euro je Mitarbeitenden könnten in Karlsruhe mit dem Beitrag für Arbeitsgeberinnen und Arbeitgeber Einnahmen in Höhe von bis zu 25 Millionen Euro Gesamt-Netto-Erlös erzielt werden. Mit einem Beitrag für Kfz-Halter und -Halterinnen wären es 11 Millionen Euro pro Jahr.
Der Ortenaukreis verfolgt das große Ziel der Steigerung der Fahrgastzahlen im ÖPNV durch eine deutliche Ausweitung des Angebots im Sinne der Mobilitätsgarantie des Landes Baden-Württemberg. Während im städtischen Raum bereits eine gute Ausstattung mit ÖPNV-Verbindungen besteht, bedarf es im ländlichen Raum überwiegend am Abend und am Wochenende eines Lückenschlusses, damit der ÖPNV als attraktive Alternative zum Individualverkehr wahrgenommen werden kann.
Landrat Frank Scherer erklärte: „Ein Mehr an ÖPNV setzt eine dauerhaft bessere finanzielle Ausstattung voraus. Ein Mobilitätspass kann hier dann ein probates Mittel sein, wenn für die Bevölkerung ein deutlicher Mehrwert in Form eines optimierten ÖPNV-Angebots spürbar wird.” Der Ortenaukreis sei grundsätzlich offen für ein interessantes und innovatives Finanzierungsinstrument. „Die Ergebnisse des Prozesses werden eine gute Basis für eine politische Entscheidung der Kreisgremien darstellen”, ergänzte Landrat Scherer. Einnahmen aus einem Mobilitätspass könnten auf Dauer als eine Säule der Finanzierung für ein über die Mobilitätsgarantie hinausgehendes Angebot eingesetzt werden. Den Hochrechnungen zufolge könnten bei einem Beitrag von 10 Euro pro Monat bei einer einwohnerbezogenen Ausgestaltung kommunale Mehreinnahmen in Höhe von bis zu 28 Millionen Euro pro Jahr realisiert werden. Ein Beitrag für Kfz-Halterinnen und -Haltern würde bei gleicher Abgabenhöhe ein Potenzial von 15 Millionen Euro jährlich generieren.
Bis 2030 möchte Freiburg die CO2-Emisssionen mit Vergleich zu 2010 um 40 Prozent senken. Der Anteil des ÖPNV am Modal Split soll so bis zum Jahr 2030 von rund 16 Prozent auf rund 20 Prozent gesteigert werden. Freiburgs Oberbürgermeister Martin Horn sagte: „Von einem weiteren ÖPNV-Ausbau und Angebotsverbesserungen werden alle profitieren – sowohl die Einwohnerinnen und Einwohner als auch die Pendlerinnen und Pendler aus dem Umland. Die Attraktivität des ÖPNV muss durch die skizzierten Maßnahmen noch einmal deutlich ansteigen.“
Der Mobilitätspass könnte ein mögliches Instrument sein, um die notwendigen Maßnahmen des Freiburger Klimamobilitätsplans zu ermöglichen, wie das Gutachten des Landes zeigt: Schon mit einem Beitrag für Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber von monatlich zum Beispiel 10 Euro je Mitarbeitendem könnten in einer Großstadt wie Freiburg theoretisch ÖPNV Maßnahmen von bis zu 18 Millionen Euro pro Jahr ermöglicht werden. Kosten für Technik und Verwaltung sind dabei laut Landesgutachten schon abgezogen.
Andererseits wies Oberbürgermeister Horn daraufhin, dass zuerst ausgereifte und verlässliche Finanzierungskonzepte von Bund, Land und Kommunen entwickelt werden müssten und betonte: „Die Einführung des Mobilitätspass setzt neben einer standfesten gesetzlichen Grundlage auch einen möglichst breiten politischen und gesellschaftlichen Konsens voraus. In diesem Prozess stehen wir somit erst ganz am Anfang und es gilt noch viele weitere Fragen zu klären. Wir in Freiburg verstehen den ÖPNV als zentralen Baustein der Mobilitätswende und hoffen, dass Kommunen beim weiteren Ausbau sowie Betrieb dauerhaft unterstützt werden.“
Ein Novum für Deutschland – orientiert an europäischen Vorbildern
Im deutschlandweiten Vergleich ist der Mobilitätspass Baden-Württemberg ein innovativer Vorstoß, der auch in anderen Bundesländern verstärkt diskutiert wird. Dabei greift er europäische Vorbilder auf und entwickelt diese weiter. Im europäischen Ausland leisten ähnliche Drittnutzerfinanzierungsinstrumente bereits seit vielen Jahren einen unverzichtbaren Beitrag zur Finanzierung des ÖPNV, wie beispielsweise die Arbeitgeberabgabe in Frankreich (versement mobilité) und die Dienstgeberabgabe in Wien oder die Straßennutzungsgebühr in über 15 europäischen Städten.
Der Mobilitätspass ist ein wertvolles, kommunales Instrument, um den Ausbau von Bus und Bahn voranzubringen. Abgabenzahlende erhalten ein Mobilitätsguthaben in gleicher Höhe, welches sie für Bus und Bahn einsetzen können – natürlich auch für das Deutschlandticket. Eine soziale Staffelung ist ebenfalls vorgesehen.
Schon eine vergleichsweise geringe Abgabe versetzt Kommunen in die Lage, das Fahrplanangebot von Bussen und Bahnen zu verbessern und Kapazitäten zu erhöhen - durch dichtere Takte, den Einsatz größerer oder zusätzlicher Fahrzeuge und den Ausbau von Infrastruktur und Digitalisierung. So kann die Zuverlässigkeit und Pünktlichkeit verbessert und die Anbindung an andere Verkehrsmitteln optimiert werden. Das ist nicht nur gut fürs Klima, sondern kann auch die Straßen entlasten, Staus reduzieren und die soziale Teilhabe an der Mobilität stärken.
Mit dem Gesetzentwurf zum Landesmobilitätsgesetz soll baden-württembergischen Kommunen die rechtliche Grundlage zur Einführung des Mobilitätspasses gegeben werden. Sie erhalten damit ein freiwilliges Instrument zur zusätzlichen Finanzierung des ÖPNV. Der Gesetzgebungsprozess ist noch nicht abgeschlossen.
Für Baden-Württemberg sind vier Varianten des Mobilitätspasses vorgesehen:
- Mobilitätspass für Einwohnerinnen und Einwohner (Einwohner:innenbeitrag)
- Mobilitätspass für Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber (Arbeitgeber:innenbeitrag)
- Mobilitätspass für Kfz-Halterinnen und -Halter (Kfz-Halter:innenbeitrag)
- Mobilitätspass für Kfz-Nutzende (Straßennutzungsgebühr).
Ob ein Mobilitätspass eingeführt wird und welche Abgabenvariante, entscheidet die betreffende Kommune. Vorab muss die gesetzliche Regelung verabschiedet sein.