Erhalten, was uns erhält – das Land Baden-Württemberg verpflichtet sich zum Erhalt der biologischen Vielfalt als unsere Lebensgrundlage. Deshalb hat die Landesregierung Ende 2017 das Sonderprogramm zur Stärkung der biologischen Vielfalt aufgelegt und mittlerweile seine Verlängerung beschlossen. Das Ministerium für Verkehr Baden-Württemberg (Verkehrsministerium) setzt im Rahmen des Sonderprogramms gemeinsam mit dem Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft und dem Ministerium für Ernährung, Ländlichen Raum und Verbraucherschutz zahlreiche Maßnahmen zur Stärkung der biologischen Vielfalt um.
Zur Umsetzung des Sonderprogrammes stehen dem Verkehrsministerium jährlich insgesamt 1 Mio. Euro an zusätzlichen Haushaltsmitteln zur Verfügung. Die Mittel werden verwendet, um die Artenvielfalt in den straßenbegleitenden Grünflächen zu erhöhen und die Wiedervernetzung von Lebensräumen zu fördern.
Die Maßnahmen des Verkehrsministeriums werden im Rahmen eines Maßnahmen- und Förderprogramms umgesetzt. Sie setzen sich aus den folgenden Bestandteilen zusammen:
Aushagerung ausgewählter straßenbegleitender Grasflächen
Bei dieser Maßnahme werden ausgewählte straßenbegleitende Grasflächen entlang von Kreis-, Landes- und Bundesstraßen zweimalig pro Jahr gemäht. Das anfallende Mähgut wird entfernt, um den Eintrag von Nährstoffen zu verringern und das Entstehen von ökologisch wertvollen Magerstandorten zu begünstigen. Auf geeigneten Flächen wird die Entstehung von artenreichen Blühflächen durch eine zusätzliche Ansaat mit artenreichem, gebietsheimischem Saatgut unterstützt.
Förderung der Beschaffung von Maschinen/Maschinenbestandteilen durch Stadt- und Landkreise
Die Förderung der Beschaffung von Maschinen und Maschinenbestandteilen soll es den Stadt- und Landkreisen ermöglichen, Aushagerungs- und sonstige Aufwertungsmaßnahmen in straßenbegleitenden Grünflächen künftig eigenständig durchzuführen. An Bundes-, Landes- und Kreisstraßen sollen die geförderten Gerätschaften damit langfristig zur Erhöhung der Artenvielfalt beitragen.
Einzelmaßnahmen und Pilotprojekte zur Förderung der biologischen Vielfalt
Um weitere naturschutzfachlich sinnvolle Maßnahmen zur Förderung der biologischen Vielfalt umsetzen zu können, die nicht den anderen Maßnahmen zugeordnet werden können, werden auch Sondermaßnahmen gefördert. Pilotprojekte zur Erhöhung der Artenvielfalt an Verkehrswegen oder zur Wiedervernetzung von Lebensräumen können ebenfalls über das Sonderprogramm finanziert werden. Die Förderung beschränkt sich auf Einzelfälle, die durch ihren besonderen Mehrwert für die biologische Vielfalt überzeugen.
Entwicklung eines Auswahlflächenkonzeptes zur gezielten ökologischen Aufwertung des Straßenbegleitgrüns
Die Flächen entlang von Straßen in Baden-Württemberg (sogenanntes Straßenbegleitgrün) sind nicht gleichermaßen gut geeignet, um dort ökologisch hochwertige Lebensräume zu entwickeln. Neben normalen Flächen sind vor allem die sogenannten Auswahlflächen für die Artenvielfalt interessant. Diese Flächen weisen aufgrund ihrer Standortbedingungen oder ihrer Lage im Biotopverbund ein großes naturschutzfachliches Potential auf und können durch spezielle Pflegekonzepte zu wertvollen Lebensräumen für verschiedene Tier- und Pflanzenarten werden. Bisher ist die Lage und Ausdehnung dieser Flächen nicht überall exakt bekannt. Deshalb hat das Verkehrsministerium in einem Projekt zunächst exemplarisch die Auswahlflächen in sechs Landkreisen identifiziert und Pflegeempfehlungen für diese Flächen entwickelt. Diese Erkenntnisse bilden nun die Grundlage für eine landesweite Identifizierung der Auswahlflächen und ihre Aufwertung.
Pilotprojekt zur Erprobung von insektenfreundlichen Mähköpfen
Derzeit werden die Grünflächen an Straßen mit Mähgeräten gepflegt, die zwar sehr robust sind und effizient arbeiten, jedoch viele Insekten und Kleintiere im Zuge des Mahdvorgangs schädigen. Daher werden nun in einem landesweiten Pilotprojekt neu entwickelte Mähköpfe im praktischen Einsatz erprobt. Nach Abschluss der Erprobungsphase ist ein Erfahrungsaustausch mit den entsprechenden Straßenmeistereien in Bezug auf die Praxistauglichkeit vorgesehen.
Aufwertung unter Brückenbauwerken
Insbesondere unter größeren Brücken von Bundes- und Landesstraßen gibt es ungenutzte Flächen, die im Sinne des Biotopverbundes erschlossen werden sollen. Ziel ist es, Tieren durch bauliche oder naturschutzfachliche Maßnahmen die Unterquerung bestehender Bauwerke zu ermöglichen. Ergänzend zu herkömmlichen Maßnahmen zur Vernetzung und Wiedervernetzung von Lebensräumen können so ökologische Wechselbeziehungen wiederhergestellt und der Biotopverbund gestärkt werden.
Modellprojekt zur Erhöhung der biologischen Vielfalt
Im Jahr 2017 startete das Ministerium für Verkehr in Zusammenarbeit mit der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen (HfWU) das Modellprojekt "Reduktion der Grünpflegekosten an Straßen bei gleichzeitiger Erhöhung der biologischen Vielfalt - ein Praxistest“. In dem Modellprojekt wurden über einen längeren Zeitraum die ökonomischen und ökologischen Folgen einer geänderten Pflege der Grasflächen entlang von Straßen untersucht. Die wissenschaftliche Begleitung und Betreuung des Modellprojektes erfolgte durch die Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen. Das Modellprojekt wurde im Dezember 2020 abgeschlossen.
Monitoring von Grünbrücken
Grünbrücken und andere Querungsbauwerke sind zentrale Elemente bei der Wiedervernetzung von Lebensräumen, die durch Straßen zerschnitten werden. Sie tragen zum Biotopverbund bei und fördern die Artenvielfalt. Um beurteilen zu können, welche Tierarten die Bauwerke annehmen und wie sie diese nutzen, führte die Forstliche Versuchs- und Forschungsanstalt Baden-Württemberg im Auftrag des Verkehrsministeriums ein Monitoring von zwei ausgewählten Grünbrücken und einer Faunaunterführung durch. Neben der Überprüfung der Funktionsfähigkeit der Tierquerungshilfen sollen Rückschlüsse für die Optimierung der Bauwerke und ihres Umfelds gezogen werden. Das Monitoring an den Bauwerken umfasste zwei Kalenderjahre und deckte alle jahreszeitlich bedingten Veränderungen ab. Der Abschlussbericht enthält zudem Empfehlungen für das Design eines repräsentativen Monitorings. Repräsentativ bedeutet in diesem Zusammenhang die Durchführung mit möglichst wenig aufwändigen, aber trotzdem hinreichend aussagefähigen Methoden und dem Schwerpunkt auf leicht erfassbaren Arten, die aber repräsentativ für bestimmte Lebensräume oder Mobilitätstypen sind.
Vermeidung/Verminderung des Herbizideinsatzes auf landeseigenen Schienenwegen durch naturschutzorientierte Pflege der Begleitflächen
An Schienenwegen können einwachsende Pflanzen dazu führen, dass das Gleisbett mit der Zeit an Stabilität verliert und somit häufiger saniert werden muss. Um dies zu verhindern, werden die Problempflanzen regelmäßig mit Glyphosat bekämpft, da es noch keine praktikable Alternative gibt. Um den Einsatz von Glyphosat künftig zu verhindern/zu reduzieren, führte das Verkehrsministerium zusammen mit der Universität Hohenheim und der Südwestdeutschen Landesverkehrs-AG (SWEG) ein Forschungsvorhaben durch, um zu untersuchen, ob durch geeignete Pflegemaßnahmen die Menge der in das Gleisbett einwachsenden Pflanzen so reduziert werden kann, dass deutlich weniger Glyphosat erforderlich ist. Gleichzeitig wurde untersucht, ob diese Pflege zu einer ökologischen Aufwertung der Begleitflächen und somit zur Stärkung der biologischen Vielfalt führt.
Weitere Informationen zum Projekt finden Sie im Abschlussbericht (PDF, nicht barrierefrei).
KI gestützte adaptive Straßenbeleuchtung zum Schutz der Biodiversität und zur Energieeinsparung – Ortsdurchfahrt Heiningen
Mit dem Einbau von LED-Straßenleuchten, die je nach Verkehrsaufkommen gedimmt werden können, hat die Gemeinde Heiningen im Zuge der Sanierung der L1217, Ortsdurchfahrt Heiningen, bereits im Jahr 2019 die Voraussetzungen zur Umsetzung eines innovativen Beleuchtungskonzepts geschaffen. Im Zuge eines Pilotprojektes mit der Technische Universität Berlin, Netze BW GmbH, Smight – EnBW Energie Baden-Württemberg AG, Schréder GmbH und der Firma Studio DL wurde nun ein adaptives Dimmkonzept entwickelt, das sowohl den Anforderungen der Verkehrssicherheit und den Bedürfnissen des Menschen gerecht wird, als auch durch die Reduzierung der Lichtverschmutzung den Insekten zu Gute kommt. Die Auswirkungen der unterschiedlichen Dimmlevel auf die Insekten wurden mit kameragestützten Insekten-Monitoring-Systemen untersucht. Die Auswirkungen auf den Menschen wurden mittels Befragungen ermittelt. Ziel ist es, mit Hilfe der gewonnenen Erkenntnisse die Straßenbeleuchtung in Baden-Württemberg (speziell an Ortsdurchfahrten) umweltfreundlicher und energieeffizienter zu gestalten.
Den Abschlussbericht des Projektes finden Sie hier (PDF, nicht barrierefrei).
Nähere Informationen finden Sie in der Pressemitteilung Intelligente Straßenbeleuchtung schützt Insekten: Ministerium für Verkehr Baden-Württemberg (baden-wuerttemberg.de)
Mit dem Beschluss der Fortführung des Sonderprogrammes wurde auch das Maßnahmen- und Förderprogramm des Verkehrsministeriums überarbeitet.
Maßnahmen- und Förderanträge können ab sofort gestellt werden. Die Anträge sollen bis zum 24. April (Aushagerung) bzw. bis zum 30. Juni (sonstige Maßnahmen) des jeweiligen Jahres eingereicht werden, in dem mit den Maßnahmen begonnen werden soll. Später eingehende Anträge können in Abhängigkeit von den zur Verfügung stehenden Mitteln aber auch berücksichtigt werden.
Weitere Informationen zum Maßnahmen- und Förderprogramm, z. B. zu den Maßnahmenbeschreibungen und zu den vorzulegenden Unterlagen, sind zu finden unter: Förderprogramme.