Was ist Mobilitätsmanagement? Wem nutzt es? Welche Maßnahmen gehören zum Mobilitätsmanagement? Ein ausführlicher Blick auf das Thema und Beispiele aus Baden-Württemberg.
Mobilitätsmanagement verfolgt das Ziel, alle von einem Betrieb oder einer Behörde ausgehenden Verkehrsströme umweltfreundlicher und effizienter abzuwickeln. Neben den positiven Auswirkungen auf die Umwelt kann ein gut organisiertes Mobilitätsmanagement auch zu direkten Vorteilen für die Einrichtung und deren Beschäftigte führen, wie eine höhere Mitarbeitermotivation, bessere Gesundheit, Kostensenkung oder Imagegewinn.
Mobilitätsmanagement untersucht und beeinflusst das Mobilitätsverhalten von Institutionen und ihren Beschäftigten, um die Belastungen von Klima und Umwelt zu senken. Dabei steht häufig die Mobilität der Beschäftigten im Mittelpunkt. Auch Kunden-, Dienst- und Lieferverkehre sowie der Güterverkehr und Umschlag können miteinbezogen werden. Mobilitätsmanagement setzt an, bevor Verkehr entsteht, bevor aus einem Mobilitätsbedürfnis eine Mobilitätsentscheidung wird.
Im Mobilitätsmanagement gilt der gleiche Grundsatz wie in der Immobilienwirtschaft: „Lage! Lage! Lage!“. Mobilitätsmanagement ist stets standortbezogen. Es setzt am jeweiligen Standort von Betrieben, Behörden und Institutionen an. Darin liegt der Unterscheid zu Verkehrspolitik allgemein. Die Stärken und Schwächen eines Standorts entscheiden über dessen Erreichbarkeit mit unterschiedlichen Verkehrsträgern. Diese Stärken und Schwächen sind wichtiger Einflussfaktor auf das Mobilitätsverhalten der Belegschaft.
Kosten und Aufwand für Konzept und Umsetzung eines betrieblichen Mobilitätsmanagements können mitunter hoch sein (müssen sie aber nicht). Es sollte deshalb dauerhaft im Unternehmen / in der Behörde verankert und institutionalisiert werden, um die Mobilität weiter optimieren und auch an neue Gegebenheiten anpassen zu können. Das setzt voraus, dass Konzepte und Maßnahmen auf einer fundierten Analyse beruhen und langfristig angelegt sind.
Anregungen für die wesentlichen Schritte und Methoden bei der Einführung und Umsetzung eines Mobilitätsmanagementsystems gibt Ihnen der Leitfaden „Mobilitätsmanagement in fünf Schritten“ (siehe Downloadbereich).
5,7 Millionen Menschen pendeln in Baden-Württemberg zwischen Wohnung und Arbeitsplatz, mehr als die Hälfte davon über eine Entfernung von zehn Kilometern oder weniger. Doch dafür benutzen ca. 60 Prozent den eigenen Pkw, das Verkehrsmittel, welches Umwelt, Klima und unsere Gesundheit am stärksten belastet. Mobilitätsmanagement setzt Anreize, dieses Mobilitätsverhalten zu verändern.
Neben Klimaschutz und Luftreinhaltung kann Mobilitätsmanagement auch der Gesundheitsvorsorge dienen. Kreislauf-, Skelett- und psychische Erkrankungen sind für zunehmende Fehlzeiten verantwortlich. Diesen Gesundheitsrisiken kann z.B. durch Anreize zum Fahrradfahren vorgebeugt werden. Für Arbeitgeber und für die Krankenversicherer wirkt ein solches Mobilitätsmanagement kostendämpfend. Hier geht Mobilitätsmanagement mit Betrieblichem Gesundheitsmanagement einher.
Für eine Reihe von Arbeitgebern ist eine nachhaltigere betriebliche/behördliche Mobilität eine Frage von Glaubwürdigkeit, Selbstverständnis, Verantwortung und Image. Sie setzten auf Maßnahmen des Mobilitätsmanagements, weil sie einfach gut zu ihnen passen.
Eng verknüpft mit der Bedeutung von Nachhaltigkeit für die Kommunikation nach innen und nach außen ist das Thema Personalgewinnung. Mit Maßnahmen des Mobilitätsmanagements kann ein Arbeitgeber im Wettbewerb um Fachkräfte punkten, um gewisse andere Nachteile auszugleichen oder um sich als fortschrittlicher und verantwortungsvoller Arbeitgeber zu positionieren.
Aus Arbeitgebersicht tragen alle genannten Vorteile des Mobilitätsmanagements ein Preisschild: Trotz Stau oder Verkehrsbeschränkungen voll funktionsfähig zu sein, ist ein Wettbewerbsvorteil. Weniger Fehlzeiten bedeuten höhere Produktivität, mehr Umsatz und mehr Gewinn pro Kopf als die Konkurrenz. Ein positives Image zahlt sich aus bei Kundinnen und Kunden sowie im Wettbewerb um gutes Personal. Durch ortsflexibles Arbeiten können Flächen für Büros und Parkplätze eingespart werden. Auf den zweiten Blick bedeutet Mobilitätsmanagement daher auf mittlere und lange Sicht meistens auch Kostensenkung.
Es gibt eine Vielzahl unterschiedlicher Maßnahmen. Welche Maßnahmen tatsächlich geeignet sind, kommt auf den Arbeitgeber, dessen Standort, dessen Erreichbarkeit und auch die Mobilitätsbedürfnisse der Beschäftigten an. Gutes Mobilitätsmanagement ist daher Maßarbeit. Eine Übersicht über die unterschiedlichen Maßnahmen finden Sie im Maßnahmenportfolio (siehe Downloadbereich).
Zu den erprobten Maßnahmen zählen zum Beispiel:
- Job-Tickets: Sie verknüpfen Arbeitsgeberzuschüsse zu Fahrten mit öffentlichen Verkehrsmitteln mit Mengenrabatten der Verkehrsunternehmen. Heraus kommt für die Beschäftigten eine günstige Zeitfahrkarte für öffentliche Verkehrsmittel.
- Radfahren fördern: Wer mit dem Rad zur Arbeit fährt, ist auf kurzen Strecken schneller, arbeitet an seiner Fitness und ist seltener krank. Mit Pedelec oder E-Bike lassen sich auch starke Steigungen und größere Entfernungen leichter überwinden.
- Nachhaltiges Fuhrparkmanagement: Firmen- und Dienstwagen gelten häufig als Statussymbol. Dabei sind sie in erster Linie Verkehrsmittel. Wenn stärker auf Auslastung, Treibstoffverbrauch und CO2-Ausstoß geachtet wird und Fahrzeuge mit alternativen Antrieben eingesetzt werden, lassen sich Fuhrparks kostengünstiger und klimafreundlicher bewirtschaften.
- Nachhaltiges Dienstreisemanagement bezieht bei Dienst- und Geschäftsreisen nicht nur Budget, Zeit und Bequemlichkeit, sondern auch die Schadstoffbilanz mit ein.
- Fahrgemeinschaften und ruhender Verkehr: Das Pendeln in einer Fahrgemeinschaft schont nicht nur den Geldbeutel, sondern auch die Umwelt. Mitfahrgelegenheiten erhöhen die Fahrzeugauslastung und verringern den CO2-Ausstoß durch weniger Autoverkehr auf den Straßen. Auch Parkplätze können dadurch eingespart bzw. effizienter bewirtschaftet werden.
- Ortsflexibles Arbeiten sowie Video- und Telefonkonferenzen: Wer von zuhause arbeitet, verursacht keinen Verkehr und keine Emissionen. Dies erspart nicht nur Fahrzeit, Stau und Stress, sondern wirkt sich auch positiv auf die bestehenden Pendlerströme aus, insbesondere in den meist überlasteten Stoßzeiten. Video- und Telefonkonferenzen können Geschäfts- oder Dienstreisen überflüssig machen.
- Elektrifizierung des Fuhrparks
Im Rahmen des Umweltprogramms „greenAOK“ treibt die AOK Baden-Württemberg systematisch die Elektrifizierung ihrer Poolfahrzeuge voran. Die insgesamt 14 AOK-Fuhrparks in Baden-Württemberg weisen ein Elektrifizierungspotenzial von 81 Prozent auf, welches einer jährlichen CO2-Einsparung von 85 Tonnen gleichkommt. Die CO2-Einsparungen erreicht die AOK mit dem unternehmensweiten Einkauf von ausschließlich zertifiziertem Grünstrom, welcher schon seit dem Jahr 2016 durch die Leitungen fließt. Eine gleichzeitig durchgeführte Wirtschaftlichkeitsanalyse der Fuhrparkumrüstung prognostiziert ein Einsparpotenzial von 32.000 Euro der jährlichen Gesamtbetriebskosten. Im Jahr 2018 soll die Elektrifizierung über 30 Prozent steigen mit dem Ziel, 2020 das Elektrifizierungspotenzial von 81 Prozent ausgeschöpft zu haben. Parallel wird eine unternehmensweit einheitliche und vernetzbare Ladesäuleninfrastruktur von rund 70 Ladesäulen installiert, die ein optimiertes Fuhrpark- und Energiemanagement der elektrifizierten Flotte ermöglichen wird. Weitere Informationen finden Sie hier.
Unter den folgenden Links finden Sie weitere fiktive Beispiele:
- Die Bäckerei Reinisch – Voll unter Strom
- Mobilität als Standortfaktor bei der Markus-Michael Mezger Metallbau GmbH & Co. KG
- Vom Trauma zum Denken über nachhaltigere Mobilität bei der Power Automotives AG
- Der zupackende Senior-Chef und die coolen E-Mountain-Bikes bei der Firma Iravia
- Eine Übernahme mit ungeahnten Folgen bei den Pharmazeutischen Werken Tiefimtal GmbH & Co KG
- Tabubruch Parkraummangement bei der Schaible & Schäuble GmbH & Co KG.
Mit dem Förderprogramm B²MM „Betriebliches und Behördliches Mobilitätsmanagement“ verfolgt das Ministerium für Verkehr Baden-Württemberg das Ziel, die verkehrsbedingten Belastungen durch CO2-Emissionen, Feinstaub und Stickoxide durch die Unterstützung von Maßnahmen des Mobilitätsmanagements in Behörden und Unternehmen zu verringern. Förderfähig sind u.a. Untersuchungen, Programme und Maßnahmen zur Vermeidung, Verlagerung und Effizienzsteigerung des mit fossilen Kraftstoffen betriebenen Personen- und Straßengüterverkehrs von und zu Betriebs- bzw. Behördenstandorten. Weitere Informationen finden Sie hier.
- JobTicket BW: Seit dem 1. Januar 2016 bietet das Land Baden-Württemberg ein mit monatlich 25,- Euro bezuschusstes Jobticket für die Beschäftigten der Landesverwaltung an. Baden-Württemberg ist damit das erste Bundesland, das flächendeckend ein bezuschusstes Jobticket für seine Beschäftigten eingeführt hat. Das JobTicket BW ist ein wichtiger Anreiz, vom Auto auf Busse und Bahnen umzusteigen. Weitere Informationen finden Sie hier.
- JobBike BW – das Radleasingangebot: Seit Oktober 2020 können alle Beamtinnen und Beamten sowie Richterinnen und Richtern vom Land Baden-Württemberg ein Fahrrad oder Pedelec zu attraktiven Konditionen zur Nutzung überlassen bekommen. Die Person zahlt dafür eine monatliche Rate, welche direkt vom Bruttogehalt abgezogen wird und spart so Steuern. Meist ist Radleasing in Form der Entgeltumwandlung eine attraktive Alternative zum Barkauf. Mit JobBike BW soll ein Anreiz geschaffen werden kurze Wegstrecken aber auch das Pendeln zur Arbeit häufiger mit dem Zweirad zurückzulegen. Eine Ausweitung des Angebots auf die Tarifbeschäftigten ist dann vorgesehen, wenn der TV-L die Möglichkeit der Entgeltumwandlung zulässt. Bislang scheitert dies noch an dem Veto der Arbeitnehmervertretung.
- Elektrifizierung der Landesfahrzeugflotte: Nachhaltige Mobilitätslösungen in den Landesministerien und -behörden werden ausgebaut und die Landesfahrzeugflotte stetig modernisiert. Da Elektro- und Hybridfahrzeuge maßgeblich dazu beitragen können, den Schadstoffausstoß abzusenken, hat die Landesverwaltung die vorrangige Beschaffung von Elektro- und Hybridfahrzeugen sowie eine Elektrifizierungsquote von mindestens 10 % bei den Fuhrparks der größeren Ressorts festgeschrieben. Das Ministerium für Verkehr unterstützt die Landesministerien und -behörden im Rahmen der Landesinitiative III Marktwachstum Elektromobilität BW bei der Beschaffung von Elektro- und Hybridfahrzeugen, elektrischen Nutz- und Kurierfahrzeugvarianten, Elektrorollern, Lasten-Pedelecs, Pedelecs und E-Bikes sowie Ladeinfrastruktur für Elektro- und Hybridfahrzeuge und Pedelecs. Weitere Informationen finden Sie hier.
- Sammelausschreibung: Anfang August 2021 startete die erste dienststellenübergreifende Sammelausschreibung für Fahrzeuge mit alternativen Antrieben. Dafür wurden in einem Projekt unter Leitung des Verkehrsministeriums die Bedarfe von mehr als 250 Dienststellen systematisch erfasst, ausgewertet und zu Losen gebündelt. Parallel wurde eine umfassende Markterkundung durchgeführt. Mittels eines stärker zentralisierten Beschaffungsprozesses wird die Nachfrage nach Fahrzeugen mit alternativen Antrieben gebündelt. Bei den einzelnen Dienststellen wird der Aufwand für Marktanalyse, Ausschreibung und Vergabe verringert. Dafür wurde das Logistikzentrum Baden-Württemberg (LZBW) gestärkt. Mit der dienststellenübergreifenden Sammelausschreibung stellt sich die Landesverwaltung auf die neuen Vorgaben der EU für die Beschaffung sauberer Fahrzeuge ein, die seit dem 2. August 2021 für Fahrzeugbeschaffungen durch die öffentliche Hand gelten. Weitere Informationen finden Sie in der Pressemitteilung vom 13.08.2021.
- Kostenlose Abgabe von Ladestrom für Pedelecs, E-Bikes und E-Zweiräder: Was allen Arbeitgebern seit Ende des Jahres 2016 steuerrechtlich erlaubt war, hat das Land Baden-Württemberg ebenfalls haushaltsrechtlich geklärt und umgesetzt. Die Dienststellen können ihren Beschäftigten ermöglichen, ihre Pedelecs, S-Pedelecs, E-Bikes und alle anderen E-Zweiräder während der Arbeitszeit aufzuladen – kostenlos und steuerfrei. Weitere Informationen finden Sie in der Pressemitteilung vom 4. Januar 2018.
- Unterstützung von Radabstellanlagen und Rad-Infrastruktur: Um das Rad fahren für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Landesverwaltung attraktiver zu machen, sollte auch gute Rad-Infrastruktur vorhanden sein. Das Ministerium für Verkehr unterstützt daher die Landesministerien und -behörden bei der Beschaffung und Errichtung von Rad-Infrastruktur. Weitere Informationen finden Sie hier.
- Nachhaltiges Parkraummanagement: Aus Gründen der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit, des Klimaschutzes und der Luftreinhaltung soll die Bewirtschaftung der rund 57.500 landeseigenen Stellplätze schrittweise ausgeweitet werden. Von den rund 36.500 nicht überdachten Stellplätzen, die bisher ganz überwiegend entgeltfrei zur Verfügung gestellt wurden, werden künftig rund 9.000 in großen Städten von der Parkraumbewirtschaftungsgesellschaft des Landes gegen Entgelt zentral bewirtschaftet werden. Das Verkehrsministerium hat hierzu die Initiative ergriffen und ein Konzept für ein schrittweises Vorgehen erarbeitet. Weitere Informationen finden Sie in der Pressemitteilung vom 8. März 2018.
- Ortsflexibles Arbeiten und flexible Arbeitszeitregelungen: Mit Regelungen zum ortsflexiblen Arbeiten lässt sich die Arbeitsorganisation zeitlich und räumlich flexibler gestalten. Beruf, Familie und Pflege lassen sich besser miteinander vereinbaren. Lange Fahrten zum Arbeitsplatz werden vermieden und die Belastung für die Umwelt verringert. Flexible Arbeitszeitregelungen entzerren Pendlerströme und entlasten die Straßen gerade in den Hauptverkehrszeiten. In der Landesverwaltung werden die Regelungen zum ortsflexiblen Arbeiten vom jeweiligen Ressort vereinbart.