Wiedervernetzung von Lebensräumen

Berechne Lesezeit
  • Teilen

Wiedervernetzung

Für viele Tiere stellen Straßen, Schienen und Siedlungsbereiche schwer überwindbare Hindernisse dar. Um sich Nahrung zu beschaffen und sich fortzupflanzen, müssen Tiere ihre Standorte und Reviere wechseln können. Wenn Tierpopulationen sich nicht mit ihren nahen und fernen Artgenossen austauschen können, drohen außerdem langfristig genetische Probleme bis hin zum Aussterben der Art. Auch der Klimawandel zwingt zur Aufgabe angestammter Standorte. Es kommen die direkten Verluste im Straßenverkehr durch Wildunfälle hinzu, die auch ein großes Problem für die Verkehrssicherheit sind. 

Deshalb wurden Wiedervernetzungskonzepte entwickelt, die das Ziel haben, Lebensräume der betroffenen Tier-und Pflanzenarten wieder miteinander zu verbinden: Ein wichtiger Beitrag zur Sicherung der biologischen Vielfalt.

Rechtsgrundlagen

Das rechtliche Erfordernis von Wiedervernetzungsmaßnahmen ergibt sich sowohl aus den Vorgaben des europäischen, als auch des nationalen Natur- und Artenschutzrechts.

Auf europäischer Ebene hat die Naturschutz-Richtlinie „92/43/EWG zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen“, kurz Flora-Fauna Habitat- oder FFH-Richtlinie, zum Ziel, wildlebende Arten, deren Lebensräume sowie die europaweite Vernetzung dieser Lebensräume zu sichern und zu schützen.

Im Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) und im Naturschutzgesetz Baden-Württemberg (NatSchG) ist die Forderung nach einem Biotopverbund zur dauerhaften Sicherung der biologischen Vielfalt wildlebender Tiere und Pflanzen einschließlich ihrer Lebensstätten und der Austausch zwischen den Populationen enthalten.

Für die Umsetzung des Biotopverbunds auf Landesebene als ein Netzwerk aus Wanderkorridoren und Lebensräumen ist die Naturschutzverwaltung Baden-Württemberg zuständig. In Baden-Württemberg stellt der Fachplan Landesweiter Biotopverbund einschließlich des Generalwildwegeplans die Grundlage für die Entwicklung des Biotopverbunds dar.

Die Straßenbauverwaltung des Landes trägt durch die Anlage von Querungshilfen aktiv zur Vernetzung von Wald- und Offenlandlebensräumen an Straßen und somit zur Sicherung überregionaler Wildtierkorridore bei. In Baden-Württemberg sind bereits 19 Grün- und Landschaftsbrücken an Bundesfern- und Landesstraßen sowie verschiedene Gewässer- und Faunaunterführungen und vielzählige Kleintierdurchlässe (insbesondere in Form von Amphibienschutzanlagen) vorhanden. Weitere Tierquerungshilfen sind in Planung oder im Bau. Darüber hinaus tragen eine Vielzahl von Tunnels und Talbrücken zur Vermeidung von Zerschneidungswirkungen bei, da die wandernden Tiere diese Bauwerke gefahrlos über- bzw. unterqueren können.

Landeskonzept Wiedervernetzung an Straßen 

Das Ministerium für Verkehr fördert mit verschiedenen Projekten das Aufrechterhalten und Wiederherstellen des Biotopverbunds als „grüne Infrastruktur“. Der Koalitionsvertrag und die Naturschutzstrategie Baden-Württemberg haben zum Ziel, die Wiedervernetzung von Lebensräumen an bestehenden Straßen voranzubringen. 

Den größten Projektbaustein stellt das vom Ministerium für Verkehr erarbeitete „Landeskonzept Wiedervernetzung an Straßen“ dar. Das Konzept setzt sich aus drei Bestandteilen zusammen: 

Bundesprogramm Wiedervernetzung

Identifizierung, Auswahl und Priorisierung von Konfliktstellen auf Basis der Fachpläne des Landes

Identifizierung, Aktualisierung und Priorisierung der Amphibienwanderstrecken an Straßen in Baden-Württemberg

Die Identifizierung und die Priorisierung von Wiedervernetzungsabschnitten im Straßennetz sind wesentliche Bestandteile des Landeskonzeptes. Damit hat die Straßenbauverwaltung wichtige Hinweise für ihre Planung, um die Vernetzung von Lebensräumen bei Straßenneu- und -ausbauvorhaben sowie bei Erhaltungsmaßnahmen aufrechtzuerhalten bzw. wiederherzustellen. Aufbauend auf dem Landeskonzept sollen in Abhängigkeit von den Erhebungen vor Ort und von der örtlichen Situation entsprechende Vermeidungs- und Minimierungsmaßnahmen erfolgen. Das Landeskonzept dient außerdem als Grundlage für die Planung und Umsetzung von Wiedervernetzungsmaßnahmen an bestehenden Straßen. Die Entscheidung über Erforderlichkeit, Lage und Gestaltung der Querungshilfen erfolgt im Einzelfall auf Grundlage der örtlichen Verhältnisse. Auch Kompensationsmaßnahmen in den Verbundkorridoren und im Bereich von Amphibienwanderstrecken sind ein wichtiger Beitrag zur Wiedervernetzung und zum Artenschutz.

Grünbrücken 

Eine Grünbrücke dient vornehmlich wildlebenden Tieren als Hilfsmittel, stark frequentierte Verkehrswege wie Autobahnen, Bundesstraßen, aber auch Bahnstrecken gefahrlos zu queren. Grünbrücken verbinden Lebensräume wildlebender Tiere, die durch Verkehrswege zerschnitten sind. Sie tragen dazu bei, die Folgen der zunehmenden Landschaftszerschneidung abzumildern. Grünbrücken haben im Regelfall eine Breite von 50 Metern und führen die beiderseits des Verkehrswegs vorhandenen Lebensraumstrukturen auf dem Bauwerk fort. Es kann sich hierbei z.B. um Gehölzstrukturen wie Gebüsche oder Waldlebensräume, Kraut- und Grasfluren oder auch offene Bodenbereiche handeln. 

Die Entwicklung von Lebensraumstrukturen auf den Grünbrücken sorgt dafür, dass diese nicht nur von bestimmten Tierarten, sondern von zahlreichen im Umfeld vorkommenden Tieren wie Groß- und Kleinsäugern, Vögeln, Fledermäusen, Amphibien, Reptilien und auch Insekten genutzt werden. Damit Grünbrücken von Tieren angenommen werden, sind besondere Anforderungen an diese Bauwerke zu stellen. Dies reicht von der richtigen Wahl des Standortes über die Gestaltung des Bauwerks und des direkten Umfeldes bis hin zur Vermeidung von Störungsquellen (z.B. durch die Errichtung von Irritationsschutzwänden beiderseits der Grünbrücke). 

Die Anforderungen an Grünbrücken und weitere Querungshilfen sind im „Merkblatt zur Anlage von Querungshilfen für Tiere und zur Vernetzung von Lebensräumen an Straßen (M AQ)" (FGSV, 2008) aufgeführt. Das Merkblatt kann über den Verlag der Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen (FGSV) bestellt werden.

Kleintierdurchlässe 

Der Jahreslebensraum von Amphibien muss nicht nur geeignete Laichgewässer, sondern auch günstige Sommerlebensräume und Winterquartiere umfassen. Zwischen diesen Teillebensräumen finden fast ganzjährig Wanderungen statt. Neue Verkehrswege zerschneiden nicht selten diese traditionellen Wanderwege. Um die Wanderkorridore zu erhalten, plant und baut die Straßenbauverwaltung Amphibienschutzanlagen. 

Amphibienschutzanlagen bestehen aus Durchlässen, die den Amphibien eine gefahrlose Unterquerung der Straße ermöglichen, aus Leiteinrichtungen, die parallel zur Straße verlaufen und die Tiere zu den Durchlässen führen und aus Stopprinnen (Betonrinnen mit Gitterrostabdeckung), die im Bereich von Feld- und Waldwegen eingebaut werden. Die Tiere fallen in die Stopprinne und werden so daran gehindert, auf die Straße zu wandern. Amphibiendurchlässe werden nicht nur von Amphibien durchwandert, sondern auch von manchen Arten der Kleinsäuger, Kriechtieren und Insekten. Daher tragen diese auch die Bezeichnung „Kleintierdurchlass". 

Die Anforderungen an Amphibienschutzanlagen sind im „Merkblatt zum Amphibienschutz an Straßen (MAmS)" (BMVBW, 2000) und im baden-württembergischen Leitfaden „Amphibien schützen" (IM, 2009) aufgeführt. Das Merkblatt kann über den Verlag der FGSV bestellt, der Leitfaden unter Publikationen heruntergeladen werden.

Aktuelle Meldungen zum Thema

Blühende Fläche neben dem Straßenverkehr
Straßenoasen

Wettbewerb: Arten- und Klimaschutz an Verkehrsflächen

Wettbewerb „Straßenoasen“: Kommunen können sich mit Straßenbegleitflächen bewerben, die sie im Sinne des Klima- oder Artenschutzes umgestaltet haben.

Blumenwiese in Hemsbach
Blühende Verkehrsinseln

Goldene Wildbiene für die Stadt Hemsbach und den Rhein-Neckar-Kreis

Die Stadt Hemsbach und der Rhein-Neckar-Kreis wurden für ihr Engagement zur Stärkung der biologischen Vielfalt ausgezeichnet. Staatssekretärin Elke Zimmer überreichte ihnen die „Goldene Wildbiene“ persönlich an den Blühflächen.

Blumenwiese im Ostalbkreis
Blühende Verkehrsinseln

Goldene Wildbiene für den Ostalbkreis

Der Ostalbkreis wurde für sein herausragendes Engagement zur Stärkung der biologischen Vielfalt ausgezeichnet. Verkehrsminister Winfried Hermann besuchte den blühenden Kreisverkehrsplatz Unterriffingen und überreichte die „Goldene Wildbiene“.

Erdkröte bei Straßenquerung
Artenschutz

Erdkröte, Grasfrosch & Co wandern wieder

Frühlingshafte Temperaturen bringen viele Kröten, Frösche und Molche dazu, zu ihren Laichplätzen zu wandern. Wenn ihr Weg über Straßen führt, sind sie in großer Gefahr.

Strasse

„Blühende Verkehrsinseln“ geht in die fünfte Runde

Kleines Jubiläum für den Insektenschutz: Zum fünften Mal ruft das Verkehrsministerium alle Kreise, Städte und Gemeinden auf, sich um die Auszeichnung „Goldene Wildbiene“ zu bewerben.

Strasse

Zehn Kommunen erhalten die Auszeichnung „Goldene Wildbiene“

Mit heimischen Wildpflanzen heißen immer mehr Kommunen in Baden-Württemberg Wildbienen und andere Insekten willkommen. Zehn der Kommunen werden nun für ihr vorbildliches Engagement mit der „Goldene Wildbiene“ des Verkehrsministeriums ausgezeichnet.

Frau Staatssekretärin Elke Zimmer steht gemeinsam mit einem Verbotsschild vor einer Grünbrücke bei Böblingen.
Artenschutz

Besserer Artenschutz durch Wiedervernetzung

Verkehrsstaatssekretärin Elke Zimmer MdL wirbt bei ihrer Sommertour für eine stärkere Wiedervernetzung als Mittel des Artenschutzes.

Gerätträger der Straßenmeistereien mit insektemfreundlichem Mähkopfmodell beim Einsatz im Bankett
ÖKOLOGIE

Innovative Mähtechnik fördert Artenvielfalt

Blühstreifen, intelligente Straßenbeleuchtungen und insektenfreundliche Mähköpfe: Das Verkehrsministerium geht für den Schutz der Insekten immer wieder neue Wege.

Dimmbare Beleuchtung bei Nacht in der Ortsdurchfahrt Heiningen zum Schutz der Insekten
Insekten

Intelligente Straßenbeleuchtung schützt Insekten

Im Landkreis Göppingen startet ein Pilotprojekt für insektenfreundliche Beleuchtung, um das Insektensterben zu bremsen. Das Land fördert das Forschungsprojekt mit 75.000 Euro.

Blühende Verkehrsinseln: der Wettbewerb, der Insekten schützt. Machen Sie mit! Bewerbungsfrist 31. Mai.
ÖKOLOGIE

Neue Runde für Wettbewerb "Blühende Verkehrsinseln "

Gesucht werden wieder die pollen- und nektarreichsten straßenbegleitenden Grünflächen. Alle Kreise, Städte und Gemeinden Baden-Württembergs können ihre insektenfreundlichen Flächen an Straßen für die vierte Runde ins Rennen zu schicken.

Wasserfrosch im Gartenteich (Bild: Pixabay/ 540812-1920)
Ökologie

Vorsicht: Amphibien auf Wanderschaft

Der Frühling meldet sich mit Regen und Sonne. Jetzt ist Zeit für besondere Achtsamkeit im Straßenverkehr – denn die Amphibien machen sich vermehrt wieder auf die Wanderung.

Baumwiese (Bild: pixabay/ 2916763)
Natur

Erstmalige Verleihung des NaturVision Filmpreises Baden-Württemberg

Erstmalige Verleihung der NaturVision-Filmpreise Baden-Württemberg zum Thema biologische Vielfalt.

Strasse

„Goldene Wildbiene“ für 10 Gewinner-Kommunen in Baden-Württemberg

Das Verkehrsministerium Baden-Württemberg rief auch im Jahr 2021 auf zu einem Wettbewerb der schönsten blühenden Verkehrsinseln. Nun stehen die Gewinner fest.

Straßenbegleitgrün
Strasse

Verkehrsministerium stellt die Ergebnisse des Modellprojekts zur ökologischen Pflege des Straßenbegleitgrüns vor

Ein wichtiger Beitrag zur Erhaltung der Artenvielfalt und Bekämpfung des Insektensterbens können die Flächen an Straßen sein. Die Straßenmeistereien im Land stellen sich dieser wichtigen Aufgabe.

Minister Hermann besichtigt Amphibienschutzanlage Schattengrund
STRASSE

Amphibien auf Wanderschaft

Sobald in den frühen Morgenstunden die Temperaturen wieder deutlich über null Grad liegen und es Regenwetter gibt, beginnt die alljährliche Wanderung der Amphibien. Jedes Jahr wandern unzählige Frösche, Kröten und Molche von ihren Winterquartieren zu den traditionellen Laichgewässern.