Lärmschutz

Projekt Lärmsanierung

Lärmkarte der LUBW am Beispiel des Ortes Bruchhausen (Bild: LUBW)

Lärmsanierung bei Mehrfachbelastungen durch Straßen und Schienenwege

Die Belastung durch Verkehrslärm ist eines der drängendsten Umweltprobleme in der Europäischen Union und in Deutschland. Allein in Baden-Württemberg sind mehr als 250.000 Menschen in der Nacht von Lärmpegeln über 55 dB(A) betroffen - verursacht durch die Geräusche von Hauptverkehrsstraßen. Auf Dauer kann dieser Lärm zu Gesundheitsbeeinträchtigungen führen.

Das Verkehrsministerium Baden-Württemberg (VM) will mit dem Konzept „Lärmsanierung bei Mehrfachbelastungen durch Straßen und Schienenwege" die Belastung für die Betroffenen auf ein vertretbares Maß senken.

Die Eckpunkte des Konzeptes sind:

  • Die verbindliche gesetzliche Regelung der Lärmsanierung: Betroffene sollen einen Anspruch auf Lärmsanierung auch entlang bestehender Verkehrswege erhalten.

Bisher haben Menschen keinen Anspruch auf Schutz vor Lärm an bestehenden Straßen und Schienenwegen. Wenn die Bahn oder die zuständigen Baulastträger der Straßen Verbesserungen etwa in Form von Lärmwällen oder -wänden vornehmen, geschieht dies ohne rechtliche Verpflichtung und meist auf der Grundlage von Förderprogrammen.

  • Die Betrachtung des gesamten Lärms aller Straßen und Schienenwege in einem Gebiet.

Bisher werden bei Straßen und Schienenwegen jeweils nur einzelne Streckenabschnitte isoliert betrachtet. Das Konzept der Lärmsanierungsgebiete löst sich vom einzelnen Verursacher und wendet sich der Gesamtsituation an einem bestimmten Gebiet zu - namentlich dem Lärm der aus unterschiedlichen Quellen tatsächlich auf die Anwohnerinnen und Anwohner einwirkt.

Lärmsanierung Verkehrswegenetz
  • Die Ausweisung von Lärmsanierungsgebieten

Die Städte und Gemeinden ermitteln die Gesamtbelastung für alle Straßen und Schienen in einem Gebiet und legen Lärmsanierungsgebiete fest. Sanierungsbedarf besteht für die Bereiche in einem Gebiet, dessen Lärmbelastung über einem bestimmten Schwellenwert liegt. Bedarf und Dringlichkeit der Lärmsanierungsgebiete ergeben sich aus der Höhe der Gesamtbelastung und der Anzahl der Betroffenen. Da diese Untersuchungen in die ebenfalls von den Kommunen zu leistende Lärmaktionsplanung eingebettet werden, bleibt der Mehraufwand begrenzt. Bestimmte Schritte lassen sich für beide Verfahren nutzen (z.B. Analyse der Lärmsituation, Mitwirkung der Öffentlichkeit).

  • Die Kooperation aller Behörden und Baulastträger, die zur Lärmminderung beitragen

Für ein Lärmsanierungsgebiet erarbeiten die Städte und Gemeinden mit den Baulastträgern, den Verkehrsbehörden und den übrigen zuständigen Stellen in einem förmlichen Verhandlungsverfahren ein gemeinsames Sanierungsprogramm. Das Lärmsanierungsprogramm ist für die Beteiligten bindend. Dieser kooperative Ansatz schafft Raum für kreative, effiziente Strategien zur Lärmminderung jenseits eng begrenzter fachrechtlicher Zuständigkeiten.

  • Die verursachungsgerechte Verteilung der Kosten

Die Kosten der Maßnahmen werden den Verfahrensbeteiligten entsprechend den Verursacheranteilen ihrer Infrastruktur (Straßen, Schienenwege) zugeordnet. Diese ergeben sich aus den jeweiligen energetischen Beiträgen an der Gesamtlärmbelastung des Gebietes. Die Maßnahmen des gemeinsamen Sanierungsprogramms werden von den jeweils zuständigen Stellen in eigener Verantwortung durchgeführt. Das Lärmsanierungskonzept ist flexibel in Bezug auf die zur Verfügung stehende Finanzierung. Sanierungsgebiete wie auch die Umsetzung der Sanierungsprogramme können entsprechend den vorhandenen Mitteln regelmäßig nach ihrer Sanierungsdringlichkeit priorisiert werden.

Das neue Lärmsanierungskonzept wurde am 21. Juni 2013 in Stuttgart und am 4. November 2013 Politik, Öffentlichkeit und Presse vorgestellt. Die Broschüre „Konzept für eine ruhigere Umwelt“ beschreibt die wichtigsten fachlichen und rechtlichen Aspekte des neuen Konzepts in kompakter Form.

Wie geht es mit dem Projekt weiter?

Im Modellprojekt „Leise(r) ist das Ziel!“ wurden praktische Erfahrungen mit dem neuen Konzept gesammelt. An dem Projekt beteiligt waren die Orte Eislingen, Salach und Süßen im Filstal. Dabei wurde das Lärmsanierungskonzept in die Lärmaktionsplanung der drei Gemeinden eingebettet. Ein weiterer Kooperationspartner war der Landkreis Göppingen.

Lärmsanierung in der Modellregion

Ziel des erfolgreichen Modellprojekts war es, die Lärmbelastungen im Modellgebiet konkret zu verringern und gleichzeitig auch praktische Erfahrungen mit dem neuen Lärmsanierungskonzept zu sammeln, um so die Diskussion über einen rechtlichen Anspruch auf Lärmsanierung und Berücksichtigung von Mehrfachbelastungen von Straßen und Schienenwegen auf Bundesebene nochmals weiter voranzubringen.

Nach vorbereitenden Arbeiten hatten die Bürger und Bürgerinnen der Modellgemeinden vom 5. Juni bis 15. Juli 2014 Gelegenheit, online ihre Hinweise, Vorschläge und Anregungen zur Lärmsituation und zu möglichen lärmmindernden Maßnahmen in Eislingen, Salach und Süßen einzubringen. Die Vorschläge und Anregungen aus der Onlinebeteiligung sind in die Maßnahmenplanung eingeflossen. Im November 2014 fand das Verhandlungsverfahren statt. Das Ergebnis des Verhandlungsverfahrens war überaus positiv und diente als Grundlage für die anschließende Prüfung der rechtlichen Zulässigkeit und der Finanzierung der Maßnahmen durch die Straßenbaulastträger und Straßenverkehrsbehörden. Im März 2015 wurde das Maßnahmenpaket öffentlich bekannt gemacht. Den erfolgreichen Abschluss des Projekts markiert die Unterzeichnung der Lärmsanierungsvereinbarung durch die beteiligten Straßenbaulastträger und Straßenverkehrsbehörden bei der Landespressekonferenz in Stuttgart am 19. Juni 2015. Die damalige Staatssekretärin Gisela Splett MdL, Regierungspräsident Johannes Schmalzl (Regierungspräsidium Stuttgart), Landrat Edgar Wolff (Landkreis Göppingen), Oberbürgermeister Klaus Heininger (Große Kreisstadt Eislingen/Fils), Bürgermeister Bernd Lutz (Gemeinde Salach) und Bürgermeister Marc Kersting (Stadt Süßen) unterzeichneten das Dokument. Der im November 2015 veröffentlichte Kurzbericht fasst das erfolgreiche Modellprojekt kompakt zusammen. 

Um das neue Lärmsanierungskonzept gesetzlich verbindlich einzuführen, müssen entsprechende bundesrechtliche Regelungen für einen effektiven Lärmschutz geschaffen werden. Das Ministerium für Verkehr Baden-Württemberg hat daher ein Modellgesetz erarbeiten lassen, welches beispielhaft die erforderlichen Änderungen aufzeigt. Nun ist die Bundesebene gefordert. Mit dem neuen Lärmsanierungskonzept wurden wichtige Grundlagen für weitere politische Entscheidungen erarbeitet und durch die Erfahrungen mit dem Modellprojekt „Leise(r) ist das Ziel!“ in Eislingen, Salach und Süßen zur Verursacher übergreifenden Lärmsanierung untermauert.