Baden-Württemberg ist als dynamisches Land, profilierter Wirtschaftsstandort und Transitland auf eine gut ausgebaute und intakte Straßeninfrastruktur angewiesen. Die große Herausforderung in Bezug auf die Sicherstellung der Mobilität in Baden-Württemberg ist und wird der Erhalt der existierenden Infrastruktur sein. Die Verpflichtung des Landes für diese und zukünftige Generationen ist es, diese Infrastruktur erwartungsgerecht zu erhalten. Die Landesregierung setzt seit 2011 dementsprechend den Schwerpunkt auch auf den Erhalt und die Sanierung der Straßeninfrastruktur.
Der Zustand
Die Landesregierung geht in diesem Bereich große Herausforderungen an und hat mit Ihrem Paradigmenwechsel „Erhaltung vor Neu- und Ausbau“ die richtigen Signale gesetzt. Die Ergebnisse der alle vier Jahre stattfindenden Zustandserfassung und -bewertung (ZEB) der Bundes- und Landesstraßen zeigen, dass sich die Qualität der rund 4.840 Kilometer Bundesstraßen in der Baulast des Bundes und der rund 9.650 Kilometer Landesstraßen in der Baulast des Landes in den vergangenen Jahren verbessert hat.
- Der Wert für den Gesamtzustand der Bundesstraßen hat sich von 3,2 (ZEB 2011) auf 3,0 (ZEB 2019) verbessert (bei einer Notenskala Fahrbahn: 1,0 bis 5,0).
- Bei den Landesstraßen hat sich der im Jahr 2016 erhobene Gesamtzustandswert gegenüber der Erfassung im Jahr 2012 von 3,5 auf 3,4 verbessert. Die Ergebnisse der letzten ZEB aus dem Jahr 2020 liegen derzeit noch nicht vor.
Erhaltungsmittel für Bundesstraßen
Baulastträger für Bundesstraßen ist der Bund. Erhaltungsmaßnahmen setzt das Land in dessen Auftrag um. Das Geld dafür fließt aus dem Bundeshaushalt. Der Erhalt des Bundesstraßennetzes umfasst vor allem Maßnahmen zur Erneuerung der Fahrbahndecken an Bundesstraßen sowie Erhaltungsmaßnahmen an den Bauwerken - insbesondere an Brücken und Stützwänden. Darüber hinaus werden bspw. auch Entwässerungseinrichtungen, Hangrutschungen sowie Geh- und Radwege saniert.
Diagramm Investitionen in Erhaltung und Neu- und Ausbau von Bundesfernstraßen
Ausbau der Erhaltungsmittel für Landesstraßen
Baulastträger für Landesstraßen ist das Land. In diesem Bereich baut und finanziert es eigenständig. Der Erhalt des Landesstraßennetzes umfasst vor allem Maßnahmen zur Erneuerung der Fahrbahndecken sowie Erhaltungsmaßnahmen an den Bauwerken - insbesondere an Brücken und Stützwänden. Darüber hinaus werden bspw. auch Entwässerungseinrichtungen, Amphibienleiteinrichtungen, Hangrutschungen sowie Geh- und Radwege saniert.
Diagramm Investitionen in Neu- und Ausbau sowie Erhaltung von Landesstrassen
Maßgebendes Kriterium für Erhaltungsmaßnahmen ist der Fahrbahnzustand. Als weiteres Kriterium dienen die Verkehrsbelastung und die Verkehrsfläche. Für die Bewertung der Dringlichkeit der einzelnen Vorhaben haben die ExpertInnen der Straßenbauverwaltung das Erhaltungsmanagement weiterentwickelt und ein Rechenmodell konzipiert, das für ein Höchstmaß an Transparenz im Erhaltungsmanagement sorgt.
Zusätzlich werden stetig neuartige, umweltfreundlichere und kostengünstigere Bauverfahren erprobt und weiterentwickelt. So werden zum Beispiel im Bereich der Straßenbautechnik die guten Erfahrungen aus den letzten Jahren mit der maximalen Zugabe von Recyclingmaterial ausgeweitet und innovative Projekte wie die Standardisierung von Bauprozessen im Rahmen der Umsetzung von Industrie 4.0 in unsere Bauverfahren eingebunden.
Priorisierung von Erhaltungsmaßnahmen - Dringlichkeitsliste
Der Zustand der Fahrbahn stellt mit einer Gewichtung von 50 Prozent das wichtigste Kriterium für die Verteilung der Erhaltungsmittel unter den vier Regierungspräsidien und Baureferaten dar. Die weiteren Kriterien sind mit jeweils 25 gewichtet, umfassen die gesamte Verkehrsbelastung sowie die Verkehrsfläche. Die Straßenbauverwaltung erstellt auf dieser Grundlage ein Erhaltungsmanagement. Das Erhaltungsmanagement wird sowohl landesweit als auch für die Regierungsbezirke und für die einzelnen Baureferate erstellt. Es dient nicht nur als Maßstab für die Verteilung der Haushaltsmittel an die Dienststellen, sondern insbesondere auch als Hilfestellung bei der Festlegung der jährlichen Bauprogramme. Diese bedarfsorientierte Zuteilung der Haushaltsmittel hat zur Folge, dass die schlechtesten Straßen als erstes saniert werden und somit die Haushaltsmittel effizient verwendet werden.
Grafik: Sanierung von Bundes - und Landesstrassen in Baden-Württemberg (in Kilometern) (PDF)
Die Zustandserfassungen auf den Bundes- und Landesstraßen erfolgt in einem regelmäßigen Abstand von vier Jahren. So fand die letzte Erfassung der Bundesstraßen 2019, die der Landesstraßen 2020 statt. Die Erfassung der Straßen erfolgt mit Messfahrzeugen. Zum Einsatz kommen hierbei schnell fahrende Messfahrzeuge, die im Verkehrsstrom mitfahren und mit Hilfe von Lasertechnik und Kameras die Straßenoberfläche aufnehmen. Sie erfassen einerseits den so genannten Gebrauchswert. Dieser umfasst die relevanten Aspekte aus Sicht der VerkehrsteilnehmerInnen:
- Allgemeine Unebenheit
- Fiktive Wassertiefe
- Griffigkeit
Andererseits misst die ZEB den so genannten Substanzwert. Dieser gibt an, wie stark die Substanz einer Straße angegriffen ist und damit auch, wie sehr sie an Wert verliert. Hierbei werden folgende Aspekte betrachtet:
- Spurrinnentiefe
- Risse
- Restschadensfläche
Für jeden 100 Meter-Abschnitt eines Straßenzuges wird anhand der beiden Teilwerte Substanz- und Gebrauchswert der Zustand ermittelt. Die Notenskala reicht hierbei von 1 (bester Wert) bis 5 (schlechtester Wert), wobei ab einer Note von 4,5 jeweils der so genannte Schwellenwert erreicht ist. Die ZEB-Daten erlauben einen guten Überblick über die Zustandsverteilung und Zustandsausprägung der Straßenabschnitte. Die Ergebnisse werden auf Karten und so genannten Streckenbändern visualisiert. Zur Bestimmung des konkreten Erhaltungsbedarfs jedes einzelnen ZEB-Abschnitts wird die Bedarfszahl entwickelt. Die höchste Bedarfszahl, das heißt 100 Punkte, weisen die ZEB-Abschnitte auf, bei denen sowohl der Substanz- als auch der Gebrauchswert über dem Schwellenwert liegt.
Auf Basis der Informationen zum Substanz- und Gebrauchswert der Straßenabschnitte und unter Berücksichtigung der voraussichtlich zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel sowie einem Erfahrungswert für durchschnittliche Kosten von Erhaltungsmaßnahmen hat das Land ein Erhaltungsmanagement für die Bundes- und Landesstraßen erstellt. Dieses Erhaltungsmanagement stellt die Grundlage für die Umsetzung von Maßnahmen zur Erneuerung der Fahrbahndecken durch die Straßenbauverwaltung dar.
Hintergrundinformation
In Baden-Württemberg befinden sich aktuell insgesamt 98 Straßentunnel im Zuge von Bundes- und Landesstraßen mit einer Gesamtröhrenlänge von rund 62 km unter Verkehr. Für den Erhalt des hohen Sicherheitsniveaus dieser Straßentunnel ist es auch weiterhin erforderlich, die bauliche und betriebstechnische Nachrüstung der bestehenden Straßentunnel - insbesondere nach den Vorgaben der Richtlinien für die Ausstattung und den Betrieb von Straßentunneln - konsequent fortzusetzen.
Für die bauliche Tunnelnachrüstung der Bundesfernstraßentunnel wurden in den vergangenen Jahren bereits rund 63 Millionen Euro investiert. In den kommenden Jahren sind weitere Maßnahmen mit einem Gesamtmittelbedarf von rund 195 Millionen Euro vorgesehen. In die betriebstechnische Tunnelnachrüstung im Bereich der Bundesautobahnen wurden in den vergangenen zehn Jahren rund 80 Millionen Euro investiert. Hierzu werden weitere rund 73 Millionen Euro in den kommenden fünf Jahren benötigt. In die betriebstechnische Nachrüstung der Tunnel im Zuge der Bundesstraßen wurden bislang bereits rund 78 Millionen Euro investiert. Weitere Nachrüstungen mit einem Gesamtmittelbedarf von rund 66 Millionen Euro stehen in den nächsten Jahren an.
Insbesondere die bauliche und betriebstechnische Ertüchtigung des Engelbergtunnels im Zuge der A 81 bei Leonberg wird in den kommenden Jahren eine Herausforderung für das Bauen unter Verkehr bei gleichzeitiger Aufrechterhaltung der Anzahl vorhandener Fahrstreifen darstellen. Vorbehaltlich der weiteren Entwicklung auf Grund den Auswirkungen der COVID-19-Pandemie ist derzeit der Beginn der Arbeiten im Verkehrsraum für Winter 2020 vorgesehen.
Die Gesamtlänge der insgesamt 29 einröhrigen Landesstraßentunnel in Baden-Württemberg beträgt rund 10 km. Für zehn Landestraßentunneln erfolgen derzeit die Planungen einer baulichen und betriebstechnischen Nachrüstung.
Der Wattkopftunnel im Zuge der L 562 bei Ettlingen ist mit rund 2 km einer der längsten Landesstraßentunnel Deutschlands. Die bauliche Nachrüstung des Wattkopftunnels mit einem rund 1,5 km langen Rettungsstollen wurde im Jahre 2012 abgeschlossen. Für die betriebstechnische Nachrüstung sind in den Jahren 2020/21 rund 1,5 Millionen Euro eingeplant.
Der Meisterntunnel im Zuge der L 351 bei Bad Wildbad mit einer Länge von rund 1,7 km wurde ebenfalls mit einem rund 1,3 km langen Rettungsstollen nachgerüstet. Der Mittelbedarf allein für diese beiden baulichen Tunnelnachrüstungen im Zuge von Landesstraßen belief sich auf rund 34 Millionen Euro. Darüber hinaus wurden rund 23 Millionen Euro für die betriebliche Nachrüstung investiert.